Religion ist heilsame Unterbrechung. Wenn diese Kurzdefinition stimmt, sorgt das Leben mit Hund täglich für religionsoffene Momente.
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Nicht jede Unterbrechung ist Religion, aber Religion hat fast immer mit Unterbrechung zu tun. In diesem Sinn sorgt bei mir mein Hund täglich für religionsoffene Momente. Denn mindestens dreimal pro Tag muss ich unterbrechen, was ich gerade mache, und mit ihm raus. Nicht immer stoße ich dabei einen Juchzer aus. Manchmal ist es der Seufzer am Morgen: "Jetzt schon? Ich würde gerne noch ein bisschen liegen bleiben!"
Aber wenn ich dann an der frischen Luft bin und James – so heißt unser Vierbeiner – sich wonniglich im Gras wälzt, dann habe ich ein Lächeln im Gesicht. Die Runde am Morgen, Mittag und Abend bringt mich in Bewegung – den Körper, die Gedanken, die Seele.
Mein Hund zeigt mir: Es gibt noch eine andere Welt, eine andere Logik als die meine. Er hat seinen eigenen Willen. Das kann nerven: "Ja-hames! Komm jetzt endlich! Wir müssen weiter!" Aber es ist heilsam zu merken: Da gibt es neben dir ein Lebewesen, für das du verantwortlich bist. Das will auch zu seinem Recht kommen. Albert Schweitzer hat das in die Formel gefasst: "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das auch leben will." Den Sinn dafür trainiert mein Hund täglich mit mir.
Der erste Segen Gottes in der Bibel gilt den Tieren. Gott ruft sie alle ins Leben und segnet sie. Ein jedes nach seiner Art, heißt es in der Bibel, wenn Gott die Fische macht, die Vögel, den Fuchs und den Regenwurm. Ein jedes nach seiner Art. Die Tiere sind Gottes einmalige Geschöpfe. Sie haben ihr Lebensrecht. Sie bekommen ihren Segen, noch vor und unabhängig vom Menschen.
"Bei diesem Wetter jagt man doch keinen Hund vor die Tür!" Dieser Satz steht deutlich in James‘ Augen, wenn es schüttet oder die Sonne brennt. Dann stemmt er alle Viere in den Boden, sollte ich weiter als notwendig gehen. Aber abgesehen von solch vorübergehendem Trotz erleben wir zusammen die Morgenkühle eines Sommertags und das erste Herbstblatt, das zu Boden segelt, den ersten Schnee und im Frühling das Schlüpfen der Gänse-Küken am Frankfurter Mainufer. Mit Hund erlebt man intensiv den Wechsel der Jahreszeiten. Das ist eine Weise, mit der Natur und der Schöpfung verbunden zu sein.
Religion fußt auf Unterbrechung. Bei meinem Gang mit dem Hund gibt es immer einen Moment, in dem ich innehalte. Ich nehme wahr, wie der Morgen sich zeigt. Und versuche dann, den Tag aus Gottes Hand zu nehmen, so, wie er kommt.
Es gilt das gesprochene Wort.
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