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Die Sendung zum Nachlesen:
Sie sind gerade in Scharen auf dem Weg zu ihrem Zweitwohnsitz: Die Kraniche. Hier, im Norden, rasten sie im Herbst und fressen Mais und Getreide von den abgeernteten Feldern. Nur so schaffen sie den langen Flug in ihre Winterquartiere. Quasi „Boxenstopps“ im Müritz-Nationalpark oder auf dem Darß. Den Winter werden sie in Südfrankreich, Portugal und Afrika verbringen. Maximal flexibel. Ihr Zuhause ist dort, wo sie es brauchen. „Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltauben, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen“, sagt der Prophet Jeremia (Jer 8,7). Zugvögel kennen ihre Zeit und ihre Orte. Nicht EIN Nest, nicht EIN Feld.
„Es fühlt sich hier schon ganz zuhausig an“, sagt meine Tochter. Wir sammeln Äpfel im Garten. Seit knapp einem Jahr wohnen wir in unseren neuen vier Wänden. Und ich finde, richtig „zuhausig“ fühlt es sich noch nicht an. Manchmal biege ich noch falsch von der Autobahn ab. Manchmal riecht es hier ganz ungewohnt – oder ich denke noch, es rumpelt durch die Wand von den alten Nachbarn.
Was macht ein Zuhause zu einem Zuhause? Darüber habe ich mit einem Deutschen gesprochen, der äthiopische Wurzeln hat. Der Moderator und Musiker fühlt sich in Hamburg zuhause und hat seine äthiopische Heimat zugleich im Herzen - zwei Mal hat er diese mit seinen Eltern wegen des Krieges verlassen müssen. Sein Lebenszentrum liegt hier, in Norddeutschland, hier lebt und arbeitet, liebt und komponiert er. Und doch ist er in Äthiopien überwältigt von den Farben und davon, wie es duftet – und von den Gesprächen, wenn er seine äthiopischen Verwandten besucht. Mit seiner aus Portugal stammenden Frau fährt er regelmäßig in die Heimat ihrer Eltern und seine Kinder sind nicht „halb so und halb so“, sondern „doppelt“. Für ihn ist dies alles kein Entweder-Oder: Er hat mehrere Heimaten, sagt er.
Was macht eine Heimat zu einer Heimat - ein Zuhause zu einem Zuhause? Heimat ist, wo ich verstehe und verstanden werde, habe ich gelesen. Ein Zuhause ist nicht aus Steinen gebaut, ist kein Land oder ein bestimmter Ort. Es webt sich zusammen. Für mich gehören zu allererst die Menschen dazu, die ich hoffentlich verstehe und die mich verstehen: Mein Mann und meine Tochter, wie sie gucken und was sie sagen, vertraut und nicht berechnend. Und zum „Zuhause“ gehören meine Mutter und mein Cousin in Hamburg, meine beste Freundin in Wilhelmshaven. Diese sind weit weg von dem Kieler Backsteinhaus, in dem ich aktuell wohne. Aber ich kann bei diesen Freund*innen und Verwandten andocken, wenn ich mit ihnen über die Geschichten spreche, die uns verbinden. Darum: „Zuhausig“ kann sich etwas anfühlen, wenn es vertraut ist - wenn ich es teile mit denen, die mir ganz nahe sind. Wenn verbindet, was unausgesprochen da ist – sich in der Tiefe zu kennen und füreinander da zu sein, wenn es brenzlig wird. Zuhause ist, wenn ich verstehe und verstanden werde.
Die Kraniche erzählen auf ihre Weise davon, wenn man sie auf den Feldern und am Himmel beobachtet. Faszinierend, wie sie ihre Formationen ziehen. Genau wissen, wo sie hinmüssen. Und sie lassen mich nachdenken: Kenne ich meinen Ort, meine Zeit? Und kenne ich meine Weggefährten? Wem kann ich mit meinen Flügeln die Stürme vom Leib halten? Und weiß ich, wer für mich ein Windschatten sein kann? Wenn es heißt, sich auch mal anderen anzuvertrauen außer mir selbst?
Der Blick in den Himmel erinnert mich: es gibt ein anderes Zuhause, eines, an dem ich nicht bauen muss. Das mit meinem Hoffen und Glauben zu tun hat. Nämlich, dass es bei Gott ein Zuhause gibt, bei dem ich Schutz suchen kann und ganz verstanden werde. So wie ich gemeint bin. Mit allem, was mich ausmacht. Ein Zuhause, in dem es viele Wohnungen gibt. Vielleicht geschieht „Zuhause-Fühlen“ immer neu. An jedem Ort der Welt.
Es gilt das gesprochene Wort.