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Die Sendung zum Nachlesen:
Manchmal ist unser Friedensgebet gar nicht so friedlich. Eigentlich sitzen wir zusammen in unserer Kirche, Menschen aus unserer Gemeinde, ein paar Gäste, immer wieder auch Menschen aus der Ukraine, auch wenn sie nicht alles verstehen. Wir sprechen Gebete, schweigen und singen. Jeden Mittwoch, seit Krieg ist in der Ukraine. Das verbindet uns mit denen, die leiden.
Und manchmal bedeutet Beten dann auch Schreien. Auch unsere Wut verbindet uns: Gegen das Aggressive, gegen das Sinnlose in der Gewalt, gegen die Machtlosigkeit sind wir verbunden mit ukrainischen und russischen Menschen. Mit denen, die darunter leiden. Wir legen Steine auf den Altar, manche richtig laut, schwer und mit Schwung. Wir legen Gott unsere Wut vor die Füße. Gemeinsam.
In Brandenburg gibt es ein Wohnprojekt. Dort wohnen seit ein paar Wochen auch ukrainische Flüchtlinge. Jeden Morgen um sechs Uhr bei den aktuellen Nachrichten sitzen die Geflüchteten mit den Einheimischen zusammen. Das tut gut – sich gegenseitig stärken, reden und schweigen. Es braucht keine Kirche dazu: Eine Hand zu halten, wenn es schmerzt. Und auch die Wut auszuhalten. Gemeinsam Luft holen, um den Tag zu schaffen.
Das erhoffe ich mir öfter: dass diejenigen aushalten, die Kraft haben – mit denen, die das gerade brauchen. Vielleicht hat ja gerade jemand Luft geholt, der mich tröstet. Oder ich hole Luft, um für andere da zu sein. Trösten können, weil ich mich getröstet fühle.
Mir hilft auch, wenn die erzählen, die wissen, wie sich das anfühlt: Paulus zum Beispiel. Die biblischen Geschichten erzählen von seinem Leid. Er verfolgt andere und wird verfolgt, er scheitert mit seinen Ideen, ist zuweilen fanatisch, oft ein bisschen kauzig. Er weiß, wie sehr er Trost braucht – von oben – von der Seite, von seinen Mitmenschen. Er schreibt den Korinthern von einem Trostkreislauf: Wir brauchen einen Trostkreislauf, damit wir weiter machen können. Das formuliert er so:
Gott tröstet uns in jeder bedrängten Lage, so dass wir andere, die auf so viele Weisen bedrängt sind, trösten können mit dem Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden. (2. Kor 1, 4)
Seine Worte sind mit den aktuellen Nachrichten im Kopf nicht gut zu hören. Ich versuche, sie mit Paulus zu denken. Paulus hat erfahren, wie gut es ist, in schwerer Zeit – in Lebensgefahr - getröstet zu werden. Er hat Trost bei Gott gefunden. Wenn er verfolgt wurde oder angefeindet, wenn Menschen ihn verspotteten oder verjagten, stelle ich mir vor: hat er gebetet. Luft geholt.
Deshalb kommen manche in diesen Tagen zu den Friedensgebeten, denke ich. Die um Frieden beten, die legen ihre Sorgen und Ängste vor Gott. Sind alle gemeinsam vor Gott. Paulus erlebte das Trösten wie einen Kreislauf: Gott tröstet – ich bin getröstet und ermutigt und danke Gott – ich kann andere trösten und lobe Gott – und Gott wiederum tröstet andere und die trösten mich. Der Trost fließt immer weiter. Wie ein „Trost-Verbundsystem“: Trost empfangen und weitergeben: An geflüchtete Ukrainerinnen und ihre Kinder und Enkel. An ihre Angehörigen, die in der Ukraine geblieben sind. Die ausharren in Angst. Die kämpfen gegen eine Übermacht. An meine Nachbarin, die den Bombenlärm aus ihren Kindertagen wieder hört und nicht schlafen kann. An den frustrierten Politiker, der von etwas überzeugt war, was nicht mehr zu dem passt, was ihn jetzt herausfordert.
Trösten, Ermutigen, und, wer kann und will: Beten. Und die Gemeinschaft derer, die das tut. Das bildet ein Trost-Verbundsystem, das mit Gott verbindet und untereinander.
Es gilt das gesprochene Wort.