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Die Sendung zum Nachlesen:
Mitten in einem Londoner Park stehen diese Schilder: „Nach Corona, wie würden Sie sich eine veränderte Welt wünschen?“. Eine Spaziergängerin hat dazu geschrieben: „Wenn all das vorbei ist, möchte ich in einer Welt leben, in der ich gehört werde.“
Die türkischstämmige Schriftstellerin Elif Shafak hat diesen Gedanken in einem Essay aufgenommen. Sie sagt, sich gegenseitig zuzuhören und zu verstehen, darin liege die Magie. Dann gäbe es eine bessere, humanitärere Gesellschaft. Ich finde: in vielen kirchlichen Angeboten ist genau dies in der Corona-Zeit ganz automatisch passiert. Zuhören und verstehen: Was brauchen die Menschen? Worüber sind sie besorgt? Was beschäftigt sie?
Zu diesen alten Fragen sind viele neue Formate entstanden: In der offenen Kirche zum Beispiel können Kerzen angezündet werden, ein Text dazu liegt aus. Oder es hängen Umschläge mit einer kleinen Geschichte plus give-away an einer Schnur vor der Kirche. Andernorts gibt es seit dem ersten Corona-Frühjahr auf dem Kirchplatz jeden Mittwochabend eine kurze Andacht mit Musiker*innen aus dem Stadtteil und Statements von Mitfeiernden. Und ein neues digitales Format, an das viele Kirchennahe und –ferne andocken können, heißt: „Storytelling und Brotbrechen“. Zuhören und verstehen – das haben sich die Leute aus dem Team von „Brot und Liebe“ vorgenommen. Unter diesem Motto feiern Menschen gemeinsam am Rechner Zoom-Gottesdienste, abwechselnd mit Teams aus Zürich und Berlin, evangelisch und katholisch. Im Zentrum steht keine Predigt. Es werden jeweils drei Geschichten zu einem Thema erzählt, zum Beispiel zum Thema „Verzichten“.
Für mich war dies der erste Brot- und Liebe-Gottesdienst. Und es ging mir zu Herzen, wie Meinrad Furrer aus dem Züricher Team von den Aschermittwochs-Ritualen aus seiner Kindheit erzählte: Es gab Käsesuppe, ein Aschekreuz und auf den Feldern wurde die Asche aus dem Keller verteilt – als Dünger und als Zeichen dafür, dass nichts bleibt wie es ist. Was losgelassen wird, dient als Dünger für Neues. Sie wollen Geschichten von Herz zu Herz zu erzählen, sagt seine Berliner Kollegin Andrea Kuhla. Das gegenseitige Zuhören zieht sich wie ein roter Faden durch die Liturgie. Es gibt Gespräche im Chat, gemeinsame Gebete – so genannte Popupgebete. Ein Gebet nach dem anderen wird spontan aufgeschrieben und taucht auf dem Bildschirm auf. Menschen können sich aufeinander beziehen. Das Ganze läuft digital und doch fühlen sich hier Menschen oft sehr miteinander verbunden.
Die Frage im Londoner Park: „Nach Corona, wie würden sie sich eine veränderte Welt wünschen?“ – diese Frage hat sich unserer Gottesdienst-Welt schon vor Corona gestellt. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat sich viel verändert. Menschen haben neu an die Kirche angedockt, fühlen sich vielleicht wieder mehr zuhause – haben eine Lebenslinie zu Gott gefunden: liveline, wie ein anderes digitales Format mit vielen Fürbitten von Zuschauer*innen heißt. Andere sind sicher auch enttäuscht. Aber an vielen Orten sind neue Linien zu Gott gewachsen.
Ich nehme mir vor, in die Brot und Liebe Gemeinde mit Menschen aus Deutschland, Zürich und Österreich hineinzuwachsen. Sie wird nicht meine Gemeinde hier vor Ort ersetzen, aber sie kann ein weiteres spirituelles Zuhause werden. Meine Segens-Schnur habe ich auf jeden Fall jetzt immer neben meinem Gesangbuch und der Bibel parat. Denn in jedem dieser Gottesdienste heißt es am Schluss: „Über die Bildschirme hinaus sind wir verbunden, verbunden in dem Wunsch, dass mehr Verbundenheit und Liebe entstehen möge unter uns. So sind wir gesegnet und dürfen ein Segen sein. AMEN!“ Alle halten eine Schnur von Bildschirm zu Bildschirm. Und wenn sich danach die Menschen auf den Computer-Kacheln verabschieden, winken sie noch einmal kurz und lächeln. Und ich bin verblüfft, wie vertraut es sich anfühlen kann, mit wildfremden Menschen einen Zoom-Gottesdienst zu feiern. Einander nah. Gott nah. Wie würde ich mir eine veränderte Welt wünschen? Aufeinander zu hören, das ist bestimmt ein guter Anfang!
Es gilt das gesprochene Wort.