Wort zum Tage
Was für ein Vertrauen
Autor
19.06.2019 06:20
Sendung zum Nachlesen

Heute beginnt in Dortmund der Deutsche Evangelische Kirchentag. Sein Motto lautet: "Was für ein Vertrauen". Spannend finde ich, dass hinter diesen Worten aus dem Alten Testament (2. Könige 18, 19) nicht etwa ein Ausrufezeichen steht, sondern ein Fragezeichen. Und das hat folgenden Hintergrund:

Das Heer der Assyrer stand vor den Toren der Stadt Jerusalem. Alle Ein- und Ausgänge waren blockiert. Und die Angreifer waren den Verteidigern sowohl zahlenmäßig als auch waffentechnisch weit überlegen. In dieser Situation zitiert der Befehlshaber der Angreifer eine Gesandtschaft der Belagerten zu sich. Und denen gibt er die skeptische Frage an ihren König Hiskia mit: Was für ein Vertrauen hast du eigentlich? Meinst du, bloße Worte genügen? Worauf verlasst ihr Euch? Auf die Ägypter, eure Verbündeten? – Das sind unsichere Kantonisten! – Oder auf Gott? – Lächerlich! Gerade der hat mich beauftragt, euch zu vernichten!

Was für ein Vertrauen habt ihr? Worauf verlasst ihr Euch?

Diese skeptische Frage stellen heute Greta Thunberg und die ‚fridays-for-future‘-Bewegung den Politikern und uns allen als Gesellschaft. Verlasst ihr euch darauf, dass es schon irgendwie weitergehen wird? Dass es schon nicht so schlimm kommen wird? Verlasst ihr euch darauf, dass ihr euch schon irgendwie durchwurschteln könnt? Viele junge Menschen – und nicht nur sie – sagen mir ganz offen, dass sie dieses Vertrauen verloren haben.

Was für ein Vertrauen habt ihr? Das ist die Frage, vor die uns auch die Flüchtlinge stellen, die nach Europa kommen. Sind wir Europäer da solidarisch? Können wir uns aufeinander verlassen? Oder lassen wir die, die in der ersten Reihe stehen, im Stich, die Spanier, die Italiener, die Griechen, die Malteser? – Viele Menschen in diesen Ländern zeigen uns leider, dass sie das Vertrauen in ein europäisches Miteinander längst verloren haben.

Was für ein Vertrauen habt ihr? Vor dieser Frage stehen wir auch als Christen heute: Vertrauen wir darauf, dass Gott es schon irgendwie richten wird? Überlassen wir ihm das Feld? Oder trauen wir uns zu, auch selber etwas zu bewegen? – Mir begegnen viele nachdenkliche Christen, die versuchen, dieses Vertrauensverhältnis zu Gott, zu den Menschen und zu sich selbst neu zu bestimmen.

Ich wünsche mir, dass wir auf dem Kirchentag nicht nur über Vertrauen reden, sondern Vertrauen gewinnen und Vertrauen schaffen. Weil nur dadurch auch schwierige Prozesse zu einem guten Ende kommen können. Die Bibel erzählt, dass es damals für die Bewohner Jerusalems tatsächlich ein gutes Ende gegeben hat und diese Erinnerung nährt meine Hoffnung für uns heute.

 

Es gilt das gesprochene Wort.