Wort zum Tage
Gemeinfrei via unsplash / Luis Villasmil
Wie geht es ihnen?
von Olav Metz
Autor
20.10.2022 06:20
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"Wie geht es ihnen?" – Die Frage trifft mich völlig unvorbereitet.Nach einer Zwei-Stunden-Sitzung, in der es um Finanzsysteme und Rechenmodelle, um Doppik und um Abschreibungen, kurz: um Geld und Zahlen ging, bin ich auf diese Frage nicht eingestellt.

 

Aber es ist nicht nur der Moment, der mich sprachlos macht. Es ist vor allem die Person, von der diese Frage kommt: Nicht einer meiner geschätzten und in Seelsorge gut ausgebildeten Kollegen aus der Arbeitsgruppe, sondern es ist die Finanzfachfrau in unserer Runde, die mich das fragt.

 

"Wie geht es ihnen?" – Es braucht eine Weile, bis ich aus meiner Sprachlosigkeit herausfinde. Dann aber weicht meine Überraschung dem angenehmen Gefühl, dass es neben allen Zahlen, Daten und Fakten immer noch eine andere, eine ganz menschliche Seite gibt. Und es ist schön, wenn sich jemand in freundlicher Weise für diese Seite interessiert, ganz unabhängig davon wie dann in den fachlichen Fragen weiter zu verfahren ist.

 

Natürlich müssen wir über Geld reden und wir müssen oft schwierige Sachentscheidungen treffen. Das gilt in der Kirche genauso wie im übrigen Leben. Aber wenn da ab und an jemand ist, der dabei die menschliche Seite nicht aus dem Blick verliert, der sich und mich fragt, wie es mir mit all dem geht, dann zeigt mir dieser Mensch, dass ihm nicht nur die Sache wichtig ist, sondern auch, was diese mit mir macht.

 

In unserem Land wird ja gerade viel darüber debattiert, warum die Kirchen so massiv an Bedeutung verlieren.

Dass dieser Bedeutungsverlust viele Gründe hat – Kirchensteuer, Missbrauch, Entfremdung – ist unbestritten. Ich habe aber den Eindruck, unser größtes Problem ist, dass wir uns zwar sehr darum bemühen, korrekt und engagiert in der Sache zu sein, dass wir aber zu wenig darauf sehen, was all dies mit den Menschen und mit uns selbst macht.

 

Deshalb sollten wir viel öfter fragen: "Wie geht es ihnen?" Und sie können jetzt einfach mal abwarten, wann jemand ihnen diese Frage stellt, und wie sich die dann anfühlt.

Oder Sie fassen sich ein Herz und fragen selber jemanden, von dem sie es wirklich wissen möchten: "Wie geht es ihnen?" oder "Wie geht es dir?"

 

Ich habe erlebt, dass das weiterhelfen kann, im Miteinander und in der Sache. Und manchmal ist das sogar der Beginn einer Freundschaft.

Potentielle neue Freunde und Freundinnen gibt es nämlich überall, auch unter Finanzfachfrauen und -männern. Und das ist doch eine wunderbare Nachricht, besonders heute, am Weltstatistiktag.

 

Es gilt das gesprochene Wort.