Sendung zum Nachlesen
Wir leben in einem Land, in dem die persönliche Freiheit des Menschen einen hohen Stellenwert hat. Und ich bin froh, in so einem Land zu leben. Das ändert allerdings nichts daran, dass ich mich trotzdem sehr oft alles andere als frei fühle: Ob durch das Finanzamt oder die Krankenkasse, ob durch den Berufsalltag oder die Familie, ob durch WhatsApp, Email oder Telefon: Immer wieder gibt es Momente, in denen ich mich von der alltäglichen Fülle nicht nur gefordert sondern überfordert fühle. Und dann ist das Leben nicht Freiheit, sondern Stress.
Was tun? – Ich bin in dieser Sache vor kurzem auf ein Gedicht von Mascha Kaléko gestoßen; es heißt "Lobenswertes Lebensmotto" und geht so:
"Was immer die Dinge mir bringen, ich stehe über den Dingen.
Was immer die Dinge mir tun, ich tue, als wär ich immun.
Und kann ich das Wollen nicht wollen, so schicke ich mich in das Sollen,
die Haltung zum Guten, zum Schlimmen kann keiner als ich nur bestimmen."
Mir zeigt dieser kluge kleine Vers zweierlei. Zunächst: Freiheit ist nicht die Abwesenheit von Dingen, die mich fordern, mich herausfordern und manchmal auch überfordern. Die Verpflichtungen bleiben, die Aufgaben bleiben und die gehen auch manchmal über das gewünschte Maß hinaus. Daran ändert unsere Gesellschaftsordnung nichts, daran ändert mein Zeitmanagement nichts und daran ändert auch mein Glaube nichts. Ich kann nur lernen, damit zu leben.
Dennoch kann ich aber etwas tun. Ich kann meine Haltung zu den Dingen ändern, ich kann versuchen, anders mit ihnen umzugehen. Zum Beispiel mit Gelassenheit, indem ich mir nicht ständig alles zu Herzen nehme. Mit Humor, indem ich nicht alles ‚bierernst‘ nehme. Mit Abgrenzung, indem ich manches einfach nicht mitmache. Oder mit einer Pause, in der ich einfach mal fünfe gerade sein lasse.
Ob beim Finanzamt oder bei der Krankenkasse, ob im Beruf oder in der Familie, ob bei WhatsApp oder bei Facebook: Wie mir die Dinge begegnen, das kann ich oft nicht ändern. Wohl aber kann ich meine Haltung zu ihnen ändern. Das ist die Freiheit, die ich habe.
Ich glaube, es ist diese Freiheit, von der auch der Apostel Paulus spricht, wenn er sagt: Zur Freiheit hat euch Christus befreit. Steht fest, lasst euch niemals unter ein Sklavenjoch spannen. (Galater 5, 1) Denn Glaube heißt, dass ich mich eben nicht von den Dingen gefangen nehmen und unterdrücken lasse, sondern dass ich ihnen aufrecht gegenübertreten und sogar über ihnen stehen kann.
Gott traut mir zu, in dieser Freiheit zu leben – welch ein Vertrauen setzt Gott da in mich!
aus Mascha Kaléko: In meinen Träumen läutet es Sturm. dtv, München 1977
Es gilt das gesprochene Wort.