Sendung zum Nachlesen
"Was für ein Vertrauen", das ist die Losung des Evangelischen Kirchentags in Dortmund. – Ein ganz besonderes Vertrauen begegnet mir in der folgenden kleinen Erzählung:
Ein alter Mann lebte zusammen mit seinem einzigen Sohn auf einer kleinen Farm. Sie besaßen nur ein Pferd, mit dem sie die Felder bestellen konnten, und kamen gerade so über die Runden.
Eines Tages lief das Pferd davon. Die Leute im Dorf kamen zu dem alten Mann und riefen "Oh, was für ein schreckliches Unglück!" Der alte Mann aber erwiderte: "Wer weiß..., wer weiß schon, wozu es gut ist?"
Eine Woche später kam das Pferd zurück und führte eine Herde Wildpferde mit auf die Koppel. Wieder kamen die Leute aus dem Dorf und riefen: "Was für ein unglaubliches Glück!" Doch der alte Mann sagte wieder: "Wer weiß..., wer weiß, wozu es gut ist?"
In der nächsten Woche machte sich der Sohn daran, eines der wilden Pferde zuzureiten. Er wurde aber abgeworfen und brach sich ein Bein. Nun musste der alte Mann die Feldarbeit allein bewältigen und die Leute aus dem Dorf sagten zu ihm: "Was für ein schlimmes Unglück!" Die Antwort des alten Mannes aber war wieder: "Wer weiß, wozu es gut ist?"
Wenig später brach ein Krieg mit dem Nachbarland aus. Die Soldaten der Armee kamen in das Dorf und alle jungen Männer wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Der Sohn des alten Mannes aber konnte mit seinem gebrochenen Bein zu Hause bleiben. – Wer weiß, wozu es gut ist?
Dass wir bestimmte Dinge für ein Glück und andere für ein Unglück halten, manche Sachen mögen und andere weniger, das ist normal. Nehmen wir zum Beispiel das Wetter: Wenn die Sonne scheint, reden die meisten Menschen von schönem Wetter, wenn es regnet dagegen von schlechtem Wetter, weil die allermeisten Sonnenschein mehr mögen als Regen. So reden wir, auch wenn uns gerade der letzte Sommer gezeigt hat, dass ‚Sonne satt‘ keineswegs immer ein Glück und Regen keineswegs immer ein Unglück ist. Da war es für viele eher umgekehrt.
Der Kirchentag in Dortmund fragt, "was für ein Vertrauen" ich habe. – Nun, ich vertraue darauf, dass meine Wahrnehmung von schön und schlecht, von Glück und Unglück, nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist. Mag sein, dass das nicht immer so offensichtlich ist wie bei dem alten Mann und seinem Sohn oder bei der Sonne und dem Regen im letzten Jahr. Aber Vertrauen heißt für mich, gerade dann mit meiner Wahrnehmung und Beurteilung vorsichtig zu sein, wenn ich den tieferliegenden Sinn mancher Dinge nicht gleich zu entdecken vermag. Denn wer weiß…, wer weiß schon, wozu es gut ist?
Es gilt das gesprochene Wort.