Wort zum Tage
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Der Stein und die Palme
von Olav Metz
Autor
22.10.2022 06:20
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Steine sind hart und meistens kalt. Oft sind sie schwer und nicht selten kantig. Und so sind sie auch in unseren Sprachgebrauch eingegangen: Über Steine stolpere ich und Menschen, die mich nicht leiden können, legen sie mir in den Weg. Manche werfen mit Steinen nach anderen, oft ohne zu merken, dass sie selbst in einem Glashaus sitzen. Und Dinge, die mich sehr belasten, die liegen mir wie ein Stein auf dem Herzen, auf der Seele oder im Magen.

 

Besonders an all jene, die in dieser Woche solche ‚steinigen‘ Erfahrungen haben machen müssen, möchte ich am heutigen Samstagmorgen die folgende kleine Geschichte weitergeben:

 

Am Rande einer Oase wuchs eine kleine Palme. Eines Tages kam ein Mann vorbei. Er sah die kleine Palme und konnte es nicht ertragen, sie so schön wachsen und groß werden zu sehen. So nahm er einen schweren Stein und legte ihn direkt in die Krone der kleinen Palme. Dann lachte er schadenfroh und ging weg.

 

Die kleine Palme versuchte, den Stein abzuschütteln. Aber es gelang ihr nicht. Sie war verzweifelt, weil sie sich sicher war, dass der Stein sie in kurzer Zeit erdrücken würde.

 

Dann aber fasste sie sich ein Herz. Sie ließ ihre Wurzeln immer tiefer in die Erde wachsen, um besseren Halt zu finden und nicht unter der Last zusammenzubrechen. So kam sie schließlich mit ihren Wurzeln bis zum Grundwasser. Das gab ihr neue, ungeahnte Kraft. Und trotz des Steins in der Krone wuchs sie so zur kräftigsten Palme der Oase heran.

 

Nach vielen Jahren kam der Mann, der ihr den Stein in die Krone gelegt hatte, wieder in die Oase. Er erwartete, am Rande der Oase einen kleinen verkrüppelten Baum zu finden – wenn es ihn denn überhaupt noch gab. Aber den fand er nicht.

 

Stattdessen beugte sich plötzlich die größte und kräftigste Palme der Oase zu ihm herunter und sagte: Ich danke dir für den Stein, den du mir damals in die Krone gelegt hast. Deine Last hat mich stark gemacht!

 

Es gibt viele Steine im Leben, die wir nicht einfach bei Seite schaffen können. Aber wenn wir an ihnen nicht verzweifeln, sondern trotzdem tapfer und mutig unsere Wurzeln ausstrecken, dann kann es sein, dass wir gerade durch sie neue Kraftquellen finden und gerade durch sie wachsen.

 

Dass die Steine in meinem Leben Prüfungen Gottes sind, das glaube ich nicht. Wohl aber glaube ich, dass sich gerade durch sie entwickeln kann, was Gott für mein Leben will: Dass ich wachse und reife und mich voll entfalte. Und ich glaube, dass er mir dafür die Kraft geben kann, mir und jedem von uns.

 

Es gilt das gesprochene Wort.