Morgenandacht
Verteufelt gut
Versuchungsgeschichten, Matthäus 4
27.11.2019 05:35
Sendung zum Nachlesen

Wenn man vom Teufel spricht, dann kommt er, sagt man. Stimmt aber nicht. Der Teufel kommt, wenn einem der Magen knurrt. Als Jesus vierzig Tage gefastet hatte, hatte er Hunger. Da trat der Teufel zu ihm und sprach ihn an, wird in der Bibel erzählt. (Matthäus 4) Nicht der aus dem Kasperltheater mit Hörnern und Pferdefuß. Herr Teufel kommt sehr ansprechend daher, ein Typ wie du und ich, sympathisch, kumpelig. Auf den Schlips verzichtet er, kommt gern nahbar rüber, so als würde er sich Sorgen um einen machen. Ein Kümmerer.

 

Du hast Hunger? „Sprich und die Steine werden Brot für dich.“, sagt er, so verführerisch, dass man den Duft von frischem Brot riecht. Jedenfalls ist selbst der hungrige Gottessohn nicht sicher vor ihm. Der Teufel wittert und twittert, was der Hungrige will. Von Psychologie versteht er was, kennt sich aus mit den menschlichen Urbedürfnissen. Wer Hunger hat, will essen, das weiß er, und auch dies: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Aus Steinen Brot machen, lautet sein Vorschlag: Wir versprechen dir ein Grundeinkommen und das Rentenalter senken wir auch. Riesenverschuldung? Egal, wir machen das einfach, subito, und basta mit der Armut! Für den, der unter der Armutsgrenze lebt, ist das ein verdammt attraktives Angebot. Wer ist schon Jesus, dass er darauf antwortet: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Der Mensch lebt nämlich auch nicht von politischer Korrektheit und von Moral allein.

 

Dann folgt das zweite teuflisch gute Angebot. Herr Teufel führt Jesus auf die Zinne des Tempels und sagt: Spring. Hat Gott nicht seinen Engeln befohlen, dass sie dich auf Händen tragen? Darum spring: Raus aus der EU, raus aus dem Euro, raus aus allen Verträgen, worauf wartest du? Spring! Es wird dir nichts passieren. Im Gegenteil. Du wirst aufgefangen und sicher sein. Du wirst wieder die Kontrolle haben, über die Grenzen, über den Handel. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Spring.

Für den, der nie große Sprünge machen konnte, ist der große Sprung ein verteufelt verführerisches Angebot. Wer ist schon Jesus, dass er es als Versuchung entlarvt und als ein tödliches Abenteuer? Ist es nicht einen Versuch wert, vor allem für den, der nicht viel Angst hat auf die Schnauze zu fallen, weil er das schon kennt?

 

Alle guten Dinge sind drei: Zuletzt nimmt der Teufel Jesus mit auf den Gipfel eines hohen Berges. Da zeigt er ihm die Reiche der Welt und sagt „Das alles will ich dir geben, wenn du mir dienst.“ Dann bist du endlich ‚great again’, hast Größe und Macht, Ehre und Stolz. Dein Name zählt was in der Welt.

Wer ist schon Jesus? „Verschwinde!“, schnauzt er den Teufel an. Wenn man Gott dienen will, kann man nicht auch dem Teufel dienen. – Wirklich nicht? Nicht doch ein kleines bisschen? Es ist doch nicht alles schlecht, da ist auch viel Gutes dabei, was der Herr Teufel will.

        

Was den Teufel teuflisch macht, ist nicht das Böse, mit dem er kommt, sondern das Gute. Es sind wirklich gute Dinge, die er verspricht: das Brot, den großen Sprung, die Macht. Und nicht nur gute Dinge, auch gute Worte hat er parat. Herr Teufel wirft mit frommen Zitaten um sich wie die AfD mit Zitaten von Willy Brandt. Er ist nicht der brutal-böse Fiesling. Er kommt als Wunscherfüller. „Teufel“ kommt von „Diabolos“. So wird er in der Geschichte von der Versuchung Jesu genannt. Diabolos heißt übersetzt Durcheinanderbringer, Verwirrer, Entzweier. Das Gute mit dem Bösen verquirlen, den Sozialstaat mit Nationalismus, die Sicherheit mit Entsolidarisierung, die Ermächtigung mit Entrechtung, das ist das Diabolische. Der Diabolos ist so wie jener Bäcker, von dem man sich erzählte, dass er, bevor er die Brötchen in den Ofen schob, in den Teig pinkelte.

 

Der Exorzismus ist nicht, die Wünsche verächtlich zu machen und das Gute schlecht zu reden. Es geht darum, sie vom Gift zu befreien. So wie Jesus. Er hat nicht aus Steinen Brot gemacht, als er die 5000 hungrig sah. Er hat angefangen seine Brote zu teilen. Und alle wurden satt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Morgenandacht

Sendungen von Pfarrerin Silke Niemeyer