Morgenandacht
Von der Dreieinigkeit (3)
22.10.2015 06:35

Von den Schildbürgern wird erzählt, sie hätten sich ein neues Rathaus gebaut, aber dabei vergessen, Fenster einzubauen. Also war es dunkel im Rathaus. Da kamen sie auf die Idee, das Licht draußen mit Säcken einzufangen. Das Licht der Sonne schien in die Säcke, die sie aufhielten, dann verschlossen und ins Rathaus brachten. Obwohl sie das eingefangene Licht dort ausschütten wollten, blieb es innen nach wie vor dunkel.

 

Manchmal fürchte ich, das Rathaus von Schilda könnte ein Bild für meine Seele sein, die keine Fenster hat. Und ich bin so ein armer Schildbürger, der verzweifelt versucht, Licht in sein inneres Rathaus zu bringen; so viele lichte Gedanken und kluge Reflexionen, als könnte ich Säcke davon hineintragen. Aber es bleibt dunkel.

 

Die Schildbürgergeschichte hilft aber, Gott zu denken: Das Licht der Sonne ist da. Aber das Sonnenlicht ist nichts Greifbares, sondern etwas, das immer nur ankommt. Nur im Ankommen ist es da. Mit dem Licht ist es wie mit Gott auch: er ist nur dann da, wenn er ankommt.

 

Im Evangelium sagt Jesus (Luk. 17,21): Denn siehe, das Reich Gottes ist inwendig in euch. Aber eben nicht so, dass jemand sagen könnte: hier ist es oder da ist es. Aber es kommt – und ist schon da. Sonne, Licht, Himmelreich, Reich Gottes – im Glauben werden Worte und Bilder durchlässig für Gott, der den Menschen nahekommt. Gott ist nicht ferne. Er ist aber auch nicht so nahe, dass ich ihn fassen könnte. Nichts auf Erden kann ihn mir näherbringen. Ich kann ihn nicht in Worten festhalten, so wenig wie man Licht in Säcke packen kann.

 

Den Bürgern von Schilda gelang es aus eigener Kraft nicht, Licht ins Rathaus zu bringen. Ist die Vorstellung, dass Gott Menschen im Herzen nahe kommt, auch so ein Schildbürgerstreich, den mir mein Glaube spielt? Es könnte aber doch sein, dass Gott das Fenster, das die Schildbürger beim Bau des Rathauses vergessen hatten, zu meiner Seele doch vorgesehen hat. Ein Fenster zu meiner Seele, durch das Gott mir scheint und nahe kommt. Wenn etwas offen und ruhig wird in mir und ich mich aufgerichtet fühle, dann ist es so, wie wenn ich an einem Fenster stehe und vom hereinfallenden Sonnenlicht überrascht werde, das mich wärmt.

 

Dann merke ich, wie wenig ich selbst dazu tun kann, wie Gott in mir wirkt; wie sehr ich dort – auch als Pfarrer – ein Anfänger bin; wie wenig ich darüber verfügen kann. Ich bete zu Gott in Worten. Doch meine Worte reichen nicht aus, Gott zu fassen. Aber vor Gott kann ich auch sein ohne zu reden. Gott hat für das Fenster zu meiner Seele gesorgt. Ich halte mich selbst Gott hin, hebe mein Herz zu ihm empor, um ihn wirken zu lassen. Es ist ein Seinkönnen vor Gott, so wie ich bin.

 

Mich überrascht dabei manchmal, dass da, wo Gott mir nahe kommt, ich ganz nahe bei mir selbst bin. Ehrlich, unverstellt, ohne mir etwas vorzumachen. Manchmal ist es auch umgekehrt und ich entdecke Gott dann neu oder anders, wenn ich ganz nahe bei mir selbst bin und für mich sorge. Erst in den letzten Jahren habe ich begriffen, dass zu viele Alltagssorgen das Fenster zu meiner Seele zustellen, ja, sogar verdunkeln können. Und dass die Sorge um mich selbst auch ein guter Weg sein kann, das Fenster zu meiner Seele wieder frei zu legen.

 

So wie auch das Kloster ein guter Ort ist, das Fenster zur Seele zu putzen. Wer dort hingeht, will Gott finden in den Gebeten der Mönche und den Worten der Bibel. Der Abt eines Klosters gibt den Gottsuchern gerne ein besonderes Wort, das sie meditieren können. Ein Gottsucher erhält den Auftrag: „Meditieren Sie mit ihrem Herzen das Wort: ‚Ich bin die Herrlichkeit Gottes‘.

 

Das vertreibt alle Angst, wenn ich staunen darf: in mir wohnt die Herrlichkeit Gottes. Das ist mehr als ein Spiegel an Selbsterkenntnis leisten kann. Das ist Glück. Das macht das Herz weit und froh.