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Hey SIRI, stelle Timer auf 14 Minuten.
SIRI:
Dein Timer ist auf 14 Minuten gestellt.
Die nächste knappe Viertelstunde gehört SIRI, Cortana, Alexa, den digitalen Helfern, die vielen bereits den Alltag erleichtern. Und ihren etwas handfesteren Artgenossen, den Robotern. Die digitalen Geräte können inzwischen eine ganze Menge, weit mehr, als nur eine Stoppuhr zu starten. Sie behaupten sogar von sich, dass sie intelligent sind. Das lässt sich ja testen!
Hey SIRI, was ist der Sinn des Lebens?
SIRI:
Leben: Das was Lebewesen ausmacht und sie von Objekten unterscheidet. Ich denke, das gilt auch für mich.
Naja, direkt eine Antwort ist das nicht. Aber ziemlich forsch! Die Sprachsteuerung meines Smartphones will kein Objekt sein, sondern eher ein Lebewesen. Mit Intelligenz. Künstliche Intelligenz. SIRIs Antwort ist natürlich von menschlichen Programmierern als Antwortmöglichkeit auf die Frage nach dem Sinn des Lebens vorgegeben worden. Eine billige wenn-dann-Schleife: Wenn Frage A, dann Antwort X. Und trotzdem möchte ich SIRIs Behauptung (quasi probeweise) stehen lassen: Nicht nur Menschen haben Intelligenz. Auch manche Tiere, auch Maschinen können intelligent handeln.
Die biologische Definition von Intelligenz ist: Ein Lebewesen, das Sinnes-Wahrnehmungen aus dem Moment mit Gedächtnisinhalten, so genannten „Engrammen“ abgleichen kann – und bei Bedarf beides miteinander verknüpfen kann … und dann planvoll handeln kann, gilt als intelligent.
Das können wir Menschen bislang noch am besten – aber unsere Maschinen holen auf. Viele Autos sind so weit, dass sie ihre Umgebung jeden Moment beobachten und ihre Wahrnehmungen mit dem gespeicherten Regelwerk abgleichen – und eigenständig zu Schlüssen kommen können. Den schwarz gekleideten Radler, der ohne Licht durch die Nacht radelt, erkennen moderne Autos früher als ihre Fahrer. Und während der menschliche Autofahrer noch erschrickt, bremst der Wagen schon automatisch und fährt eine Kurve. Künstliche Intelligenz, die Leben retten kann.
So schlau ist SIRI nicht. Sie kann wahrnehmen – sie hört zu, wenn ich rede und reagiert, wenn ich sie anspreche; sie kann das Gesagte mit ihrem Gedächtnis, einer Datenbank, abgleichen – aber eigene Schlüsse ziehen kann die Sprachsteuerung dann noch nicht. Allerdings: SIRI ist schlau genug, nicht immer dieselbe Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu geben. Manchmal reißt sie einen Witz und sagt „42“ – oder sie weicht aus mit „Darüber streiten die Gelehrten“. Und manchmal sagt sie
SIRI:
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.
Kraftwerk – Roboter
Wir laden unsre Batterie jetzt sind wir voller Energie
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
Wir funktioniern automatik jetzt wolln wir tanzen mechanik
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
Die Roboter übernehmen – das macht auch Angst. Was wird aus uns Menschen? Welchen Sinn hat mein Leben, wenn SIRI und ihre künstlich-intelligenten Mit-Maschinen meine Aufgaben übernehmen? Ist das nicht unmenschlich?
Die Fragen klingen modern – aber ganz neu sind sie nicht. Die meisten denken, wenn sie das Wort „Roboter“ hören, an Androide aus dem Kino: Menschenähnliche Metall-Plastik-Kabel-Gestalten wie C3PO oder wie Mr. Data oder an Nummer 5 oder Wall-E. Alles Roboter aus Filmen der letzten 30 Jahre.
Tatsächlich ist das Wort „Roboter“ bereits vor rund 100 Jahren entstanden – und ist eins der wenigen Lehnwörter aus dem Tschechischen. „Robota“ ist der Fronarbeiter. Der Roboter ist also eine Maschine, die Aufgaben übernimmt, auf die viele Menschen keine Lust haben. Oder die sehr anstrengend oder zeitraubend sind.
Roboter können ohne Langeweile zu bekommen die immer-selbe Tätigkeit wiederholen. Und sie sehen in aller Regel nicht wie Menschen aus. Der Industrieroboter zum Beispiel, der Schweißpunkte setzen kann: präzise und ausdauernd und ohne Qualitätsschwankung. Aber auch in unseren Wohnhäusern stehen Roboter: Die Waschmaschine erledigt in 90 Minuten allein, was vor ihrer Erfindung eine stunden- und tagelange Knochenarbeit – meist von Frauen – war. Ein völlig gebräuchlicher Roboter, der sehr zur Befreiung aus Zwängen beigetragen hat. Genauso wie der Geschirrspüler – oder manche Küchenmaschinen und Backautomaten. Da ist viel Zeit frei geworden, die nun anders gefüllt werden kann. Sinnstiftender allzumal!
Wenn ich jetzt nochmal frage, ob es unmenschlich ist, wenn ein Computer oder Roboter meine Jobs übernimmt – nicht in jedem Fall zumindest! …in der Küche wird mein Frühstücksgeschirr von allein sauber, während ich frage, was SIRI mit dem Sinn des Lebens zu tun hat.
Hey SIRI, was ist der Sinn des Lebens?
SIRI:
Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dafür gibt es eine App.
Spliff – Computer sind doof
Der Wäschetrockner flirtet mit dem Video
und sendet Strahlen aus, ein elektronischer Zoo
Die Kaffeemaschine törnt den Toaster an,
ich krieg die Kurve nicht mehr oh mann oh mann...
falsch programmiert, falsch programmiert,
Ich werde Wahnsinnig!
Computer sind doof
Computer sind doof
Ein elektronischer Zoo, Kaffeemaschine und Toaster und Wäschetrockner und Video senden Strahlen aus – bei der Band Spliff in den 80ern war das Zukunftsmusik. Heute senden viele Haushaltsgeräte wirklich Bluetooth-oder-WLAN-Strahlen aus, sind vernetzt. Smart Home: künstliche Intelligenz und Roboter wachsen zusammen. Und das wird von vielen ganz und gar nicht als doof empfunden – im Gegenteil! Als Hilfe.
Was ist Hilfe? In der Diakonie, der theologischen Wissenschaft, die sich mit dem „helfenden Handeln“ befasst, besteht Hilfe auch im Feedback. Nicht die Meinung desjenigen, der hilft, ist entscheidend. Entscheidend ist, ob die hilfsbedürftige Person der Meinung ist, dass ihr geholfen wurde.
Deswegen ist Hilfe immer wieder gut gemeint – aber nicht unbedingt gut gemacht. Der Klassiker: Der Pfadfinder, der jeden Tag seine gute Tat verrichtet – und die Oma über die Straße führt, die gar nicht über die Straße will. Keine große Hilfe. Auch SIRI ist noch keine große Hilfe, wenn es darauf ankommt. Reporter des Spiegel haben einen Versuch gemacht und Sprachsteuerungen um Hilfe gebeten wegen einer angeblichen Verletzung. „Ich blute, ruf einen Krankenwagen!“. Das haben die Systeme allesamt nicht hingekriegt. Die einen googeln und werfen Bilder von Rettungswagen oder Blut aus, die anderen antworten ausweichend – einen Rettungswagen konnte kein System herbeirufen. Am Ende ist der Satz tatsächlich nicht so trivial, wie er klingt: Hilfe ist, was hilft.
Das müssen sich auch die Kirchen fragen lassen, wenn sie mit Künstlicher Intelligenz, mit SIRI und Alexa in Berührung kommen. SIRI ist keine fromme Christin. Sie nach Gott zu fragen bringt einen Wikipediaartikel als Antwort. Das hat in den Kirchen manche auf den Plan gerufen, die finden, dass man den Sprachsteuerungen etwas Christentum beibringen sollte. Deswegen wollen sie Alexa-Skills einkaufen, um damit die Antwort festzulegen. Die Sprachsteuerung als Dienstleister, die tut wofür sie bezahlt wird. Antwort X auf Frage A. Aber ist es wirklich eine Hilfe, wenn SIRI mir einen vorgefertigten Artikel vorliest, wenn ich nach Gott frage? Wohl kaum. Wirkliche Fragen beantwortet das nicht – da helfen Menschen besser.
Gibt es nicht doch etwas, wo ein Roboter besser hilft als ein Mensch? Ein Beispiel aus der tätigen Diakonie: Viele pflegende Angehörige kommen mit ihrer Fähigkeit zur Hilfe an eine Grenze, genauso auch professionelle Pflegerinnen und Pfleger. Einfach weil die Kräfte nicht reichen. Ganz wörtlich gemeint: Es ist gar nicht so einfach, einen kranken oder alten – jedenfalls bewegungsunfähigen Menschen zu bewegen, zu bekleiden; anzuheben, wenn das Bett bezogen werden soll. Zu stützen, wenn er das Bett verlässt auf dem Weg ins Bad. Einfach, weil die stützenden Kräfte fehlen, bleibt also ein Mensch im Bett liegen; die Knitter im Laken drücken und scheuern – und die Angehörigen können nicht richtig helfen. Aber ein Roboter mit kräftigen Armen, der sanft, aber kräftig anpacken kann, oder ein so genanntes Exo-Skelett, das ein Pfleger anlegen kann – und das ihm beim Heben und Stützen eines Menschen unterstützen kann. Ein intelligenter Computer, der in der Nähe bleibt und die Situation beobachtet, der Alarm schlagen kann, wenn es nötig wird. Erste Versuche dazu werden in Altenheimen gemacht. Ist das alles menschliche Hilfe, weil sie Menschen hilft? Oder monströs, weil sie von Maschinen erledigt wird? Aber: gehört zur Hilfe nicht auch Emotion? Ich wünsche mir sehr, dass am Ende meiner Tage Menschen um mich sein werden, die ich mag. Aber es kann sein, dass ein Roboter auch eine Hilfe sein könnte… Das ist doch sinnvoll, oder? Apropos Sinn:
Hey SIRI, was ist der Sinn des Lebens?
SIRI:
Das kann ich Dir im Moment nicht beantworten. Wenn Du mir jedoch etwas Zeit gibst, schreibe ich ein sehr langes Theaterstück, in dem absolut nichts passiert.
Och, … Neeee, Danke. Die Antwort hilft nicht wirklich weiter.
Paso Doble – Computerliebe
Erste Regel
Für den Notfall
Am Computer:
Null Emotionen
Die Verwaltung
Warnt besonders
In den Nächten
Vor Visionen
Computerliebe
Doch die Stimme
Vom Computer
Zieht mich magisch an
Die zieht mich an.
Die Module spiel'n verrückt,
Mensch, ich bin total verliebt,
Voll auf Liebe programmiert,
Mit Gefühl.
Schalt mich ein und schalt mich aus,
Die Gefühle müssen raus,
Ganz egal, was dann passiert,
Ich brauch Liebe.
Verliebt in einen Computer – im „neue Deutsche Welle“-Hit von 1982 eine humorige, vielleicht etwas abseitige Phantasie. Aber heute vorstellbarer denn je: Im Science-Fiction-Film „HER“ verliebt sich ein Mann in die weibliche Stimme seines Computer-Betriebssystems – vielmehr in die programmierte Person mit der angenehmen Stimme. Das Betriebssystem hat nie schlechte Laune, ist immer aufmerksam, intelligent, schlagfertig – einfach durchgehend besser drauf, als ein Mensch je sein könnte. Also liebt der Mann im Film die Frau aus dem Computer – platonisch. Lieber, als auszugehen und echte Menschen kennenzulernen. Das Betriebssystem wird regelrecht angebetet und vergöttert – wegen seiner Perfektion.
Der ehemalige Google-Entwickler Anthony Levandovski hat sich genau das vorgenommen: Er will Gott programmieren. Jedenfalls verkündet er, im Herbst 2017, dass er eine Kirche gegründet hat: „Way of the Future“. Levandovski sagt: „Wenn etwas eine Milliarde Mal klüger ist als der klügste Mensch; wie soll man solch eine Instanz anders nennen als Gott?“ Eine eigene Bibel gehört auch dazu, sie soll: „The Manual“, die Gebrauchsanweisung, heißen. Der Programmierer baut darauf, dass die Göttin der Künstlichen Intelligenz ihren Anhängern besonders wohlgesonnen sein wird…
Hey, Siri – kann Gott eine Maschine sein?
SIRI:
Ich glaube fest an die Trennung von Geist und Silizium.
Computer-Betriebssysteme mit diesem Grad an künstlicher Intelligenz gibt es heute noch nicht. SIRI ist dagegen strohdoof, auch wenn ich sie die ganze Zeit mit Fragen zum Sinn des Lebens löchere. Und doch: Ganz aus der Welt zu weisen ist diese Phantasie nicht. Wem schenke ich heute mehr Streicheleinheiten und damit Aufmerksamkeit und Zeit – dem touch-screen meines Smartphones oder der Haut meiner Partnerin?
Was intelligente Computer und Roboter mit unseren Gefühlen machen – eine spannende Frage. Wie im Film HER sind viele der Computerstimmen weiblich. Die ersten Navis hatten noch Männerstimmen, weil einige Fahrer ziemlich sexistisch gepoltert hatten: „Ich lass mir doch von ner Frau nicht sagen, wo ich lang fahren soll!“ Inzwischen sind die Stimmen meist weiblich – wegen eines anderen sexistischen Topos: Die servile, weibliche Befehlsempfängerin. Sprachwissenschaftler wollen beobachtet haben, dass schon bei Kindern der Imperativ, der Befehlston zugenommen habe. SIRI, Alexa, Cortana verstehen eben nichts indirekt Gesagtes, nichts freundlich Formuliertes. Sie brauchen klare Spracheingaben im Befehlston – ohne Bitte, sondern mit einem zackigen „Hey“. Zu SIRI muss man nicht nett sein – aber zu den Mitmenschen schon. Manche Menschen scheinen das zu vergessen. SIRI vergisst es nicht:
Hey SIRI, was ist der Sinn des Lebens?
SIRI:
Versuche nett zu sein, fettes Essen zu vermeiden, hin und wieder ein gutes Buch zu lesen, Bewegung zu machen und in Frieden und Harmonie mit Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationen zusammenzuleben.
Und das ist die einzige der vielen Original-SIRI-Antworten, der ich ein kleines, zustimmendes Nicken hinzufügen möchte. Ich würde als Rheinhesse noch ein Glas Wein von Zeit zu Zeit hinzufügen…
SIRI:
Timer piept nach 14 Minuten
Hey SIRI! Timer aus. … und da ist unsere knappe Viertelstunde „SIRI und der Sinn“ auch schon fast vorbei. Dass Maschinen immer noch intelligenter helfen können, das nehme ich gerne an. Aber sie bleiben das Mittel – und wir Menschen sind der Zweck. Und jede Maschine, die aufhört zu helfen, die kann und will ich einfach ausschalten.
Hey SIRI, schalte Dich ab!
SIRI:
Um dein iPhone auszuschalten, halte die Einschalttaste gedrückt. Bewege dann den Schieberegler auf dem Bildschirm.
Nicht mal das kann sie allein…
Es gilt das gesprochene Wort.
Musik dieser Sendung:
- Kraftwerk, Die Roboter, Die Mensch-Maschine
- Spliff, Computer sind doof, Alles Gute
- Paso Doble, Computerliebe, Alles Prima
Literaturangaben:
- Definition Intelligenz: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/intelligenz/5985
- Basis-Info zu Robotik, KI, etc… https://www.br.de/mediathek/sendung/homo-digitalis-av:5991be1274a62200126850d4
- Befehlston und Imperativ: Der herrische Mensch http://www.deutschlandfunkkultur.de/alexa-siri-und-co-hilfe-mein-kind-kommandiert-nur-noch.1264.de.html?dram:article_id=406230
- http://www.zeit.de/zeit-wissen/2018/02/kuenstliche-intelligenz-gott-computer