Wort zum Tage
Alles neu!
28.06.2021 06:20
Sendung zum Nachlesen

Auf der Kantstraße hier in Berlin, kurz hinterm Savignyplatz ist es passiert. Die Normalität schiebt sich in meinen Blick. Auf ein Mal. Ich fahre zügig auf dem Radweg und sehe Menschen: An Tischen sitzend. Getränke vor sich. Essen auf Porzellantellern. Die Beine ausgestreckt auf dem Gehweg. Monate bin ich hier nun entlanggefahren. Niemand saß. In Schlangen stand man und trug sein Essen in Leichtverpackungen nach Hause. Was ich jetzt hier sehe, ist ein Bild aus der alten Zeit. Ich gucke dann sicherheitshalber zweimal hin und als ich‘s begreife, sage ich zu mir selbst: Irre. Wie schön!
In New York steht an der Ecke Lexington und 158ste Straße eine orangefarbene Plastikbank auf dem Gehweg. Es ist eine von vielen Freundschaftsbänken in Spanish Harlem, Brooklyn, der Bronx. Die Menschen in diesen armen Teilen New Yorks wurden vom Coronavirus besonders hart getroffen. Mit der Armut kamen Krankheiten, allen voran Depressionen. Auf den orange-farbenen Bänken finden Menschen jemanden, der ihnen zuhört. Zuhörerinnen und Zuhörer warten auf sie. Wache Blicke. Offene Ohren. Und vor allem weite Herzen. Schweres und Trau-riges steigt auf diesen Bänken von der Tiefe der Seelen ans Licht des Tages. Fragen. Und wenn es gut läuft, scheint Zukunft auf und werden Wege erkennbar. Lebens- und Überlebenswichti-ges!
Unsere Sehnsucht ist übergroß nach Wärme, Umarmungen, Leichtigkeit, Normalität. Jetzt gerade am Beginn des Sommers. Endlich wieder … und jede und jeder weiß sofort etwas, das hier zu nennen wäre. Muss es nicht anders werden? Das ist eine lebens- und überlebenswichti-ge Frage.  Sie hat es schwer gegen die Rückkehr der Normalität und zwischen dem Geklapper des Geschirrs. Unsere Gewohnheiten gleichen der verborgenen Flora und Fauna in der Wüste, unter ihrem heißen Sand. Ein Regen reicht und sie blüht. Es ist dann nur noch schwer vorstell-bar, wie lebensbedrohlich diese Landschaft sein kann, was sie jeder Bewohnerin abverlangt hat, wie bedroht das Leben ist. Dass es ein Geschenk ist, zart und verletzlich. 
Siehe, ich mache alles neu, sagt Christus. 
Es beginnt dort in der Sonne, auf dem Gehweg an der Ecke. Auf einer dieser Bänke. Vielleicht so! Offene Augen und Ohren. Sparsame Worte. Da sein mit weitem Herz. Einander Zuhören. Und Neues beginnt. Leben regt sich und kaum Vorstellbares kommt in den Blick. Siehe, ich mache alles neu. Irre. Wie schön.   
 

Es gilt das gesprochene Wort.