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Die Sendung zum Nachlesen:
Woran erkennt man eine Christin oder einen Christen? Eine berechtigte Frage, finde ich. Schließlich muss der Glaube ja einen Unterschied machen. Für mich ist dabei ein Satz von Jesus wichtig, den der Evangelist Matthäus überliefert. Er lautet: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Wen er damit meinte, hatte Jesus vorher aufgezählt: Hungernde, Arme, Kranke, Geflüchtete, Häftlinge. Sie nennt er Schwestern und Brüder - Notleidende Menschen.
Es gibt viele, die ihnen helfen. Aus humanistischen Gründen oder weil sie die muslimische Barmherzigkeit ernstnehmen oder weil sie einfach ein gutes Herz haben. Im christlichen Glauben kommt noch etwas dazu und das steckt in diesem Satz von Jesus: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Damit identifiziert sich Jesus mit jedem einzelnen Menschen. Und das tut er als Sohn Gottes. Das bedeutet: Was ich meinen Mitmenschen tue, bewegt auch Gott. Erst einmal klingt das schön. Es holt Gott weit herunter und hebt den Menschen weit hinauf.
Doch bei näherem Hinsehen ist es auch eine Zumutung. Denn es gilt für alle – auch für diejenigen, die ich nicht mag. Das gilt für die Kollegin, die schlecht über mich redet, für den Drängler, der mich nervt. Es gilt für Leute, über deren Ansichten ich nur den Kopf schütteln kann. Für sie und alle anderen gilt dieser Satz Jesu. Das heißt nicht, dass alles nun göttlich wäre, was Menschen tun. Vielleicht sind sie weit weg von Gott. Dennoch bleibt ihnen dieses Merkmal, diese Würde und dieser Anspruch. Was ich ihnen gegenüber empfinde und tue, das trifft auch Gott.
Eine, die das radikal gelebt hat, war Elsa Brändström. Nach ihr sind zahlreiche Straßen benannt, auch Schulen. Elsa Brändström war die Tochter des schwedischen Militärattachés in Russland und lebte ein angenehmes Leben in besseren Kreisen. Das gab sie auf als der Erste Weltkrieg begann. Sie meldete sich als Krankenschwester bei der russischen Armee und stellte sich dem Schrecken und des Krieges. Sie half in Dreck und Blut. Vom schwedischen Roten Kreuz ließ sie sich in ein Lager für deutsche Kriegsgefangene schicken. Dort waren die Zustände in jeder Hinsicht katastrophal. Von fünf deutschen Soldaten starben dort innerhalb von kurzer Zeit vier – 80 Prozent. Es waren Soldaten des Feindes, aus russischer Sicht. Elsa Brändström sah in ihnen aber schlicht Menschen. Menschen, in deren Antlitz auch Gott zu finden ist. Sie erkannte ihre Chance als Diplomatin eines neutralen Staates und ihre persönliche Aufgabe. Unermüdlich kämpfte sie für bessere Unterkünfte, besseres Essen, bessere Ausstattung, bessere medizinische Versorgung und setze dabei auch ihre eigene Gesundheit aufs Spiel. Sie hatte Erfolg. Die Sterblichkeitsquote im Lager sank auf unter 20 Prozent. Die Soldaten sahen in ihr deshalb den „Engel von Sibirien“. Diesen Ehrentitel mochte sie selbst nicht. Aber er passte zu dem, was sie tat und zu dem, was Jesus von den Geringsten gesagt hat. Manche Soldaten, die dennoch starben, baten Elsa sich um ihre Familien zuhause zu kümmern. Das tat sie auch. Nach dem Krieg ging sie nach Deutschland und gründete bei Bautzen und in der Uckermark Hilfswerke für Heimkehrer und für Hinterbliebene von Soldaten. Dabei fand sie auch den Mann, den sie heiratete, mit dem sie eine Tochter bekam und dem sie später in die USA folgte. Von dort aus gründete sie nach dem Zweiten Weltkrieg erneut Hilfswerke für notleidende Menschen im zerstörten Deutschland. Daraus gingen die berühmten CARE-Pakete hervor. Elsa Brändström wurde nur 60 Jahre alt, sie starb heute vor 75 Jahren - am 4. März 1948. Sie lebte ein Leben für notleidende Menschen, erfüllt von dem Gedanken, dass sich Gott in jedem Menschen verbirgt und zeigt. Das zu begreifen und danach zu handeln - daran erkennt man, finde ich, eine Christin.
Es gilt das gesprochene Wort.
Bibelnachweis: Matthäus 25,40