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Die Sendung zum Nachlesen:
Julia Rebecca-Riedel:
In der Nähe von Dresden haben wir auf dem Autobahnrastplatz eine Mutter mit ihrem Sohn abgegeben. Mit einem kleinen 8-Jährigen. Die beiden sind von Verwandten abgeholt worden und der Kleine kam ganz verschlafen aus unserem Bus raus und der Mann, der sie abgeholt hat, hat ihn ganz doll in den Arm genommen und hat ganz, ganz viele Worte auf Ukrainisch auch gesagt. Und in dem Moment hatte ich das Gefühl, ich verstehe ganz genau, was er sagt. Du bist mein kleiner Held, du bist ein ganz kleiner, riesengroßer Held. Dass du das hier geschafft hast mit deiner Mama. Wie glücklich die beiden waren, wirklich in Sicherheit zu sein.
Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel hält es nicht zu Hause, wenn sie gebraucht wird. In ihrem Urlaub Mitte März stellt sie sich als Fahrerin eines Kleinbusses zur Verfügung. Den hat ein Unternehmer der evangelischen Kirchengemeinde für den Hilfstransport zur Verfügung gestellt. Mit einem Konvoi aus mehreren Bussen ist sie unterwegs Richtung ukrainische Grenze.
Etwa 100 Kilometer von LWIW entfernt holen sie 19 Geflüchtete ab und bringen sie zu ihren Verwandten und Freunden in verschiedene deutsche Städte. Zum Beispiel nach Dresden, wie die Mutter mit dem 8-jährigen Sohn.
Julia-Rebecca Riedel:
Wir sollten auch eine Familie mit insgesamt acht Personen abholen. Am Ende stellte sich heraus, dass das ein älteres Ehepaar war mit sechs angenommenen Waisenkindern.
Darunter ein junger Mann knapp über 18. Aber Männer zwischen 18 und 60 Jahre dürfen als Wehrpflichtige – außer in besonderen Härten - eigentlich nicht ausreisen. So wurden sie erstmal aufgehalten.
Julia-Rebecca Riedel:
Diese Familie, diese acht Leute haben gesagt: Entweder wir gehen alle oder es geht keiner, okay, dann sterben wir halt im Zweifelsfall. Aber wir sterben dann wenigstens zusammen.
Im Kleinbus saßen schon die leibliche Tochter und die Enkelin des älteren Ehepaares.
…die saßen neben mir und waren in Tränen aufgelöst, weil Mama und Papa, Oma und Opa sich halt jetzt diesen Kindern so verbunden fühlen, dass sie gesagt haben: Okay, wenn das hier nicht läuft mit dem jungen Mann, dann bleiben wir eben hier. (…) Und das macht mir jetzt noch Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke und darüber spreche.
Am Ende sitzen doch alle im Bus und kommen mit. Julia-Rebecca Riedel ist berührt davon,
Julia-Rebecca Riedel:
…wie dankbar diese Menschen waren, dafür, dass wir sie jetzt mitgenommen haben und gleichzeitig wie müde die aussahen und wie mitgenommen sie dann auch waren, vom Leben und von allem, was sie vorher schon erlebt hatten.
Der Konvoi hatte zwei Übersetzerinnen dabei – aber die konnten während der Fahrt nicht in jedem Bus sein. Julia-Rebecca Riedel spricht kein Ukrainisch oder Russisch, die 13-jährigen Jugendlichen können zum Teil ein paar Brocken Englisch sprechen und reden auf sie ein, weil…
Julia-Rebecca Riedel:
...die eine besondere Musik hören wollten oder jetzt fragten, ob sie zusammen bei der Übernachtung in einem Bett schlafen dürfen. Und das haben sie natürlich in einer Sprache gemacht, die ich nicht kenne. Aber sie haben das halt so gemacht, wie 13-Jährige das machen. Das finde ich schon sehr beeindruckend, wie sehr man auch ohne Sprache auskommen kann und wie sehr wir voneinander spüren können, was das Bedürfnis gerade ist, was gerade gebraucht wird. Wenn wir ein bisschen bereit sind, uns aufeinander einzulassen.
Und das ist Julia-Rebecca Riedel als Pfarrerin ganz besonders wichtig:
Julia Rebecca Riedel:
Ich find diesen Satz von Jesus ‚Was willst du, dass ich dir tue‘ großartig. Weil ich finde, Jesus macht da etwas, was wir alle irgendwie noch lernen müssen (…) Ich denk immer, ich weiß ganz genau, was jetzt das Gegenüber braucht, was für das Gegenüber jetzt mal gut ist. (…)
Jesus dreht das um und sagt: Wenn du was von mir willst, dann sag mir, was das ist, und dann kann ich das machen, dann kann ich versuchen, das möglich zu machen.
Was willst du, dass ich für dich tun soll? (Die Bibel, Markus 10,51 und Lukas 18,41) Manchmal sind es die kleinen Dinge, die wirklich helfen – die eigene Musik, das Aneinanderkuscheln im Bett. Die Kirchengemeinde ist froh: Am Ende sind alle gut untergebracht. Eine ukrainische Frau bedankt sich mit einer Umarmung und einem zigfachen Thank you bei Julia. Ihre kleine 3-jährige Tochter hatte sich vor der Reise ständig übergeben müssen. Jetzt sieht die Pfarrerin…
Julia-Rebecca Riedel:
…die Kleine hatte inzwischen ihre Mütze abgenommen und alle ihre blonden Locken standen zu Berge und vorher hatte sie immer so ein bisschen griesgrämig geguckt. Und jetzt, wo ihre Mama mich umarmte, hat sie dann angefangen zu lächeln und hat mir zugewunken. (…) Das war echt eine riesen Belohnung. Das ist ein riesen Schatz, den ich jetzt als Erinnerung habe.
Es gilt das gesprochene Wort.