Gedanken zur Woche

Gedanken zur Woche

Bild: Bernd Schwabe via Wikimedia

Gedanken zur Woche
16.01.2015 - 06:35
23.02.2015
Pfarrerin i.R. Angelika Obert

„Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält.“       
 

Mit einem Zitat aus der 5. Sure des Korans begann die Mahnwache für die Pariser Terroropfer am Brandenburger Tor. Ayman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, erinnerte daran, dass es den Gläubigen aller Religionen aufgetragen ist, Leben zu schützen und zu erhalten. Dass jeder Mord und erst recht ein Mord im Namen der Religion Gotteslästerung ist. Und er bekannte sich mit Wärme zu einer pluralen, demokratischen Gesellschaft. Er sprach im Namen nahezu aller auch tief religiöser Muslime – dass sie die Demokratie bejahen, hat schließlich eine gerade erschienene Bertelsmann-Studie schon gezeigt. Nun aber öffentlich und vor der versammelten Bundesregierung – das war Eines von vielen starken Zeichen des Zusammenhalts unserer Gesellschaft in einer Woche, in der Viele neue Verwerfungen befürchtet hatten.

 

Das Gespräch zwischen den Religionen, das die Kanzlerin jetzt empfahl, hat schon lange begonnen. Darum haben ja auch die Vertreter der Kirchen und des Judentums auf Einladung der Muslime bei der Mahnwache gesprochen. Längst sind sie darin einig, die Verständigung auf vielen Ebenen zu suchen. Sie wissen: Das Leben der Andern, gerade auch der Andersgläubigen, zu erhalten, bedeutet sehr viel mehr als nur Verzicht auf Gewalt. Es bedeutet: das Recht und die Würde des Andern zu schützen, tatsächlich Verantwortung füreinander zu übernehmen. Und auf dieser Basis können dann auch kritische Fragen gestellt werden. Auch das ist auf dem Podium am Brandenburger Tor ja geschehen.

 

Einen Tag später wurde die Gebetswoche für die Einheit der Christen eröffnet – eigentlich ein rein innerkirchliches Unternehmen. Aber Vertreter der muslimischen und der jüdischen Gemeinde haben daran teilgenommen. Hier nun als Gäste der Christen, die damit signalisierten: Abgrenzung ist nicht gemeint, wo wir uns zusammenschließen. Nicht nur für die Einheit der Christen, sondern auch für das einträchtige Zusammenleben der abrahamitischen Religionen beten wir – und folgen damit endlich jener uralten Verheißung Gottes, die an den gemeinsamen Stammvater Abraham erging: „In dir sollen sich segnen lassen alle Völker auf Erden“. (1. Mose 12,3)

 

Der Weg zum einträchtigen Zusammenleben – er mag unendlich weit erscheinen im Blick auf die politische Weltlage, insbesondere auf die schier hoffnungslose Zerrissenheit in den arabischen Völkern. Wie viele Muslime fallen in diesen Tagen dem Terror zum Opfer! Dass wir auch um sie trauern, sollten wir im Gespräch zwischen den Religionen wohl noch deutlicher zeigen.

 

Und dürften umso dankbarer sein, dass der Weg zum einträchtigen Zusammenleben in unserer Gesellschaft nun doch so nah liegt und vielfach längst selbstverständlich ist. Ich selbst habe oft erlebt, wie anregend das interreligiöse Gespräch sein kann, vor allem, wenn es sich nicht zu allererst um theologische Fragen dreht. Viele Jahre habe ich an interreligiösen Filmseminaren teilgenommen, veranstaltet von der Ev. Akademie in Berlin. Christen, Juden und Muslime haben gemeinsam über Filme gesprochen, die von jüdischen, christlichen und muslimischen Schicksalen handelten. Filme, die von menschlicher Größe und menschlicher Verblendung erzählten, beides gibt es in allen Kulturen und Religionen. Beim interreligiösen Filmgespräch waren die Gräben nicht tief, der Zugewinn an gegenseitigem Verstehen umso größer.

 

Ähnliches erleben ja nun auch all diejenigen, die sich Zeit nehmen, Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge zu unterstützen und freundlich zu empfangen.

 

„Wenn einer ein menschliches Wesen am Leben erhält, so ist es, als würde er die ganze Welt erhalten“. Ja, alle Gesten, die dem Leben in Frieden dienen, gehören dazu. Wie gut, dass es in der vergangenen Woche davon so viele gab. Sie können mit mir darüber sprechen – ich bin bis 9 Uhr erreichbar unter der Telefonnummer 030/32 53 21 344 – ich wiederhole 030 für Berlin und dann 32 53 21 344. Oder Sie diskutieren mit auf Facebook unter deutschlandradio.evangelisch.

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23.02.2015
Pfarrerin i.R. Angelika Obert