Von der Freiheit des Herzens

Wort zum Tage
Von der Freiheit des Herzens
24.01.2015 - 06:23
05.01.2015
Pfarrer i.R. Michael Becker

Er sitzt im Taxi. In Berlin, auf dem Weg nach Hause. Sein Telefon klingelt, erzählt er. Am andern Ende ist Frau Merkel, die Bundeskanzlerin. Ob er Bundespräsident werden wolle, fragt sie. Joachim Gauck erschrickt. Er lässt das Taxi wenden und fährt ins Bundeskanzleramt. Bevor er die Spitzen der Parteien trifft, muss ich er sich aber noch frisch machen, sagt er. Ungewaschen geht man nicht zur Kanzlerin. Einen Monat später wird er gewählt. Das ist jetzt fast drei Jahre her. Heute wird Joachim Gauck 75 Jahre alt.

 

Politiker muss man nicht lieben. Man muss auch ihre Meinung nicht teilen. Eine gewisse Achtung sollte man aber haben, finde ich. Das war kein leichter Weg für Joachim Gauck. Kindheit und Jugend weckten seinen Lebenswunsch: Freiheit. Die war mächtig eingeschränkt damals, in der DDR. Gauck findet und nutzt eine Nische: er wird Pfarrer. Versteckt sich nicht, lebt mit den Menschen seiner Gemeinden, sucht und schützt kleine Freiheiten. Und ist ganz vorne dabei, als die Mauer fällt.

 

Unfreiheit ist eine Frage der Zeit. Und der Wahrheit. Je mehr Menschen die Wahrheit wissen wollen, sie sich leise und deutlich eingestehen, desto größer wird die Freiheit. Zuerst die innere Freiheit. Die Freiheit meines Herzens. Die kann ich bewahren, auch wenn außen vieles unfrei ist. Man kann nicht immer die Wahrheit sagen. Und soll es auch nicht. Erst recht nicht in einer Diktatur. Auch im Beruf oder im Verein kann ich nicht allen die Wahrheit ins Gesicht sagen. Das hilft oft nicht, macht vieles eher noch schwerer. Wahrheit ist auch eine Frage des Takts, des Gefühls, der Umstände. Nicht jeder verträgt es, sich zu erkennen. Manches denkt man besser nur, als dass man es ausspricht. Die Wahrheit nach außen ist oft schwerer als die nach innen.

 

Aber innen beginnt’s mit der Freiheit. Mit der Freiheit des Herzens. Die soll ich suchen und pflegen mit Gottes Hilfe. Man muss nicht alles sagen, was man denkt. Sich selbst aber sagt man besser gleich, was man fühlt und denkt. So wahrhaftig wie möglich. Dann wird das Herz frei. Man steht gleich anders in der Welt. Mehr aufrecht. Auch ruhiger. Freiheit beginnt, wenn ich ehrlich bin zu mir, aufrichtig. Ist mein Herz erst frei, bewege ich mich auch freier. Sogar in einer unfreien Welt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundespräsident.

05.01.2015
Pfarrer i.R. Michael Becker