Gebt unserm Gott die Ehre!

Kantatengottesdienst aus der Christuskirche Bremerhaven
Gebt unserm Gott die Ehre!
Kantatengottesdienst aus der Christuskirche Bremerhaven
26.08.2018 - 10:05
13.06.2018
Christian Schefe
Über die Sendung

Evangelischer Rundfunkgottesdienst am Sonntag, 26. August 2018 aus der Christuskirche in Bremerhaven-Geestmünde live im Deutschlandfunk um 10.05 Uhr

 

„Gebt unserm Gott die Ehre!“ Insgesamt 36mal werden Gemeinde, Chor und Solisten diese Aufforderung im Kantatengottesdienst aus der Christuskirche in Bremerhaven singen. Denn im Mittelpunkt steht die Kantate „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ von Johann Sebastian Bach nach dem gleichnamigen Lied im Evangelischen Gesangbuch. Die Predigt von Pastor Christian Schefe und die Kantate wechseln sich ab und gehen dabei der Frage nach: Wie und warum können Menschen Gott loben?

Musikalisch gestalten den Gottesdienst der Bremerhavener Kammerchor, das Bremerhavener Kammerorchester, Kantorin Eva Schad, Folker Froebe und die Solisten Juli Comparini (Alt), Jan Hübner (Tenor) und Carsten Krüger (Bass). Die Christuskirche liegt in der Mitte Bremerhavens im Ortsteil Geestemünde am früheren Holzhafen. Zusammen mit der mittelalterlichen Marienkirche ist sie mit 7500 Mitgliedern Bremerhavens größte Kirchengemeinde. Sie ist Sitz der Kirchenkreismusik, zweier Kindertagesstätten und der Evangelischen Jugend Geeste. Auch das Schaufenster Fischereihafen und die Hafenwelten mit dem Museumshafen, dem Klima- und dem Auswandererhaus liegen nicht weit entfernt. Früher wurde dort Fisch angeliefert und verarbeitet oder Handelsschiffe be- und enthalten. Hoffnungsvolle Frauen, Männer und Kinder bestiegen die großen Auswandererschiffe, die sie nach Übersee bringen sollten. Heute genießen Touristen und Einheimische hier das maritime Klima und träumen von der weiten Welt.

 

 

Gottesdienst nachhören

 

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen
 

Liebe Hörerinnen und Hörer des Deutschlandfunks, liebe Gemeinde!

 

Drei Strophen aus dem Lied „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ haben wir eben gesungen. Es gibt noch sechs weitere Strophen. Aber lohnt es sich überhaupt, diese auch noch zu singen? Denn in allen Strophen geht es mit leichten Variationen immer um das Gleiche. - Darum Gott zu loben und zu danken. Aber wozu brauchen wir diese ständigen Erinnerungen?

Johann Sebastian Bach waren sie vor knapp 300 Jahren offensichtlich wichtig. Denn um seine Kantate zu komponieren, hat er alle 9 Strophen komplett verwendet. Und zwar ausschließlich. In anderen Kantaten gibt es noch Zusatztexte von anderen Dichtern, um weitere inhaltliche Akzente zu setzen. Doch hier nutzt Bach nur die Musik des Orchesters und den Gesang der Solisten und des Chores, um uns anzuregen, über die Inhalte nachzudenken.

Wir sollen Gott loben und danken.
Als Kind habe ich gelernt, dass man in bestimmten Situationen Danke sagt. Und das war gut so. Aber ich glaube: Es ist auch wichtig zu erkennen, ob ich mich wirklich dankbar fühle. Denn es ist ja ein Unterschied, ob ich aus Anstand und gutem Benehmen Danke sage oder ob ich es auch so meine.

Und bei Gott ist mir das besonders wichtig. Ich will ihm nur dann danken, wenn ich mich auch dankbar fühle. Vielleicht ist es gerade deshalb gut, dass das Lied so lang ist. Wir bekommen Zeit, immer wieder neu über unser Leben nachzudenken und es von unterschiedlichen Seiten zu betrachten.

Und damit fangen wir jetzt an: Die Kantate geht los und wir starten mit der ersten Strophe, die Bach in der Form eines großen Eingangschores entfaltet. Achten Sie dabei mal besonders auf die Orchestermusik. Der Chor singt gleichförmig und gewichtig. Bei dem Orchester aber ist das anders. Hier verwendet Bach einen Musikstil, den er in der Kantate immer wieder aufgreifen wird. Was empfinden Sie bei dieser Musik und vor allem: Was macht diese Musik mit Ihrem Körper? Wir sind es gewohnt in der Kirche ruhig sitzen zu bleiben. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie könnten jetzt aufstehen. Wie würden Sie sich dann zu dieser Musik bewegen?

 

Kantate „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ Teil 1

 

Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut,

Dem Vater aller Güte,

Dem Gott, der alle Wunder tut,

Dem Gott, der mein Gemüte

Mit seinem reichen Trost erfüllt,

Dem Gott, der allen Jammer stillt.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Ich finde: Das Orchester hat eben leicht und beschwingt gespielt. Am liebsten wäre ich von der Kanzel heruntergekommen und hätte zur Musik getanzt. Denn Bach komponiert hier so, wie man in seiner Zeit Tanzmusik geschrieben hat. Und auch bei den späteren Arien der Kantate erklingen im Orchester typische Tanzmelodien und Rhythmen aus dem 18. Jahrhundert. Bach nutzt also einen damals modernen und fröhlichen Musikstil, um Gott quasi „tanzend“ zu loben.

Um nachvollziehen zu können, wie ausgelassen Bach hier für seine Zeit komponiert, sollten wir uns einen Moment vorstellen, zu welcher Musik wir denn heute gern tanzen: Und dabei ist es ganz egal, ob es argentinischer Tango, Discomusik, Rock´n Roll, Walzer oder Helene Fischer ist! Hauptsache wir stellen uns Tanzmusik vor, die uns zu Herzen und in die Beine geht.

Musik ist ein großartiges Geschenk, weil sie unsere Gefühle und unseren Verstand anspricht. Wenn uns Musik gefällt, können wir sie in vollen Zügen genießen. Und manchmal kann uns auch ganz weltliche Musik zu den großen Fragen und Themen unseres Lebens führen. Und so will Bach uns mit dem ersten Teil seiner Kantate in eine ausgelassene Stimmung versetzen. Loben und Danken soll ja auch Spaß machen. Und so können wir uns beschwingt der Hauptaussage des Liedes zuwenden. In der zweiten und dritten Strophe hören wir, dass Gott Schöpfer ist. Er hat uns allen das Leben geschenkt. Interessant ist, dass diesem Inhalt schon der formale Aufbau des Liedtextes entspricht.

Jede Strophe besteht aus sieben Zeilen. Die ersten 6 geben den Inhalt wieder. Höhepunkt ist die siebte Zeile. Sie lautet in jeder Strophe gleich: „Gebt unserm Gott die Ehre.“ Diese sieben Zeilen erinnert mich an die sieben Tage in der Schöpfungserzählung. An sechs Tagen soll alles Leben entstanden sein. Der krönende Abschluss aber ist der siebte Tag mit Zeit, um sich auszuruhen und Gott zu loben.  Bach greift diese besondere Bedeutung der siebten Zeile in seiner Kantate auf. Achten Sie mal darauf, wie vielfältig er gerade die siebte Zeile „Gebt unserem Gott die Ehre“ in jeder Strophe entfaltet.

In der vierten Strophe erreichen wir dann einen Höhepunkt der Kantate. Hier wird das erste Mal ganz betont „Ich“ gesagt. Und ich denke: Der Lieddichter will uns damit zeigen, dass jeder von uns die Aussagen des Textes auf sein eigenes Leben beziehen soll. Lassen Sie sich mal überraschen, wie Bach diese wichtige Strophe musikalisch gestaltet.

 

Kantate „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ Teile 2-4

 

Es danken dir die Himmelsheer,

O Herrscher aller Thronen,

Und die auf Erden, Luft und Meer

In deinem Schatten wohnen,

Die preisen deine Schöpfermacht,

Die alles also wohl bedacht.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Was unser Gott geschaffen hat,

Das will er auch erhalten;

Darüber will er früh und spat

Mit seiner Gnade walten.

In seinem ganzen Königreich

Ist alles recht und alles gleich.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Ich rief dem Herrn in meiner Not:

Ach Gott, vernimm mein Schreien!

Da half mein Helfer mir vom Tod

Und ließ mir Trost gedeihen.

Drum dank, ach Gott, drum dank ich dir;

Ach danket, danket Gott mit mir!

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Haben Sie das gemerkt? Wir haben die wichtige vierte Strophe gehört. Doch Bach verwendet für sie ein relativ schlichtes musikalisches Mittel, den Choral. Und ich finde das genial. Bach will hier mit diesem reduzierten Mittel wohl einen besonderen Akzent setzen. Denn der Choral ist die einzige musikalische Form in der Kantate, die wir als Gemeinde theoretisch mitsingen könnten. Noch deutlicher kann man doch nicht sagen, dass es gerade in dieser Strophe ganz besonders um uns geht. Sie soll ein Vorbild sein für unser Leben und klingt für mich sehr weise.

Das singende „Ich“ dankt Gott für alles Gute. Ich glaube: Wer das Gute in seinem Leben wahrnehmen und dafür dankbar sein kann, fühlt sich in seinem Leben besser. Ich erlebe immer wieder, dass Menschen glücklich sein können, von denen ich es aufgrund der äußeren Lebensumstände nicht erwartet hätte. Und das sind immer Menschen, die es gelernt haben, dankbar zu sein.

Und noch etwas ist interessant. Das „Ich“ in dieser Strophe fordert alle anderen auf, mit ihm gemeinsam zu danken. Es trägt die eigene Dankbarkeit und Freude also nach außen und teilt sie mit anderen. Wie wäre es, wenn wir in unseren alltäglichen Gesprächen üben würden, weniger zu klagen, und stattdessen mehr über das Gute in unserem Leben reden würden?

Und so geht es in der fünften und sechsten Strophe mit der Kantate weiter. Mit Text und Musik führt Bach uns vor Ohren und Augen, mit welch einer Liebe Gott sich mit Mutterhänden und Vateraugen um uns kümmert. Und diese Nähe Gottes ist an dieser Stelle besonders wichtig. Denn in der 6. Strophe geht es um Menschen, die nach menschlichen Maßstäben tatsächlich keinen Grund mehr zum Danken haben.

Es gibt Menschen, die wirklich ein schweres Schicksal haben. Uns fallen bestimmt viele ein, die vor Sorgen keine Ruhe finden - in unserem Land, aber gerade auch weltweit. Oft fehlen uns dann die Worte. In dieser Kantate aber kommen sie vor. Achten Sie mal darauf, wie sensibel Bach komponiert. Er lässt den Bass singen, die tiefe Männerstimme. Als wollte er deutlich machen, wie tief Gott in unsere Welt hinabsteigen kann.

 

Kantate „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ Teile 5-6

 

Der Herr ist noch und nimmer nicht

Von seinem Volk geschieden,

Er bleibet ihre Zuversicht,

Ihr Segen, Heil und Frieden;

Mit Mutterhänden leitet er

Die Seinen stetig hin und her.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Wenn Trost und Hülf ermangeln muss,

Die alle Welt erzeiget,

So kommt, so hilft der Überfluss,

Der Schöpfer selbst, und neiget

Die Vateraugen denen zu,

Die sonsten nirgend finden Ruh.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Der Gesang, die Musik und der Inhalt der eben gehörten Strophe ergreifen mich immer wieder. Alle Freude und Dankbarkeit in der Kantate finde ich erst mit dieser Strophe überzeugend und glaubhaft, weil erst mit ihr der Liedtext unsere Welt vollständig beschreibt. Es gibt Menschen, die in unserer Welt Ruhe und Gerechtigkeit finden. Aber auch andere, denen dies nicht möglich ist.

Wir alle können viel tun. Im Großen und im Kleinen. Gott hat uns einen Verstand zum Denken geschenkt, ein Herz zum Fühlen und Hände zum Handeln. Das ist gut und wichtig. Aber bei allem, was wir tun können, werden wir doch niemals aus dieser Welt ein Paradies machen.

Ich brauche daher die Hoffnung, dass Gott wirklich alle Menschen sieht und einst wirklich alles gut machen wird. Ich glaube: Wir brauchen Gott jetzt, in der Zukunft und in Ewigkeit.

Und deshalb bin ich froh, dass die Kantate weitergeht. Es kommen noch drei Strophen, mit denen wir innerlich weiter Gott danken können. Für das Gute, was wir schon erleben und für das, was er noch schenken wird. Und ich bin sicher: Wer danken und sich freuen kann, der kann auch hoffen.

 

Kantate „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ Teile 7-9

 

Ich will dich all mein Leben lang,

O Gott, von nun an ehren;

Man soll, o Gott, den Lobgesang

An allen Orten hören.

Mein ganzes Herz ermuntre sich,

Mein Geist und Leib erfreue sich.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Ihr, die ihr Christi Namen nennt,

Gebt unserm Gott die Ehre!

Ihr, die ihr Gottes Macht bekennt,

Gebt unserm Gott die Ehre!

Die falschen Götzen macht zu Spott,

Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott:

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

So kommet vor sein Angesicht

Mit jauchzenvollem Springen;

Bezahlet die gelobte Pflicht

Und lasst uns fröhlich singen:

Gott hat es alles wohl bedacht

Und alles, alles recht gemacht.

Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.06.2018
Christian Schefe