Suchet der Stadt Bestes!

Evangelischer Rundfunkgottesdienst aus der Johanneskirche Künzelsau
Suchet der Stadt Bestes!
Gottesdienst aus der Johanneskirche Künzelsau
21.10.2018 - 10:05
20.06.2018
Gudrun Ederer
Über die Sendung

Evangelischer Rundfunkgottesdienst am Sonntag, 21. Oktober 2018 aus der Johanneskirche in Künzelsau live im Deutschlandfunk um 10.05 Uhr

 

„Sucht das Beste für eure Stadt und für unsere Welt“ ist Thema im Gottesdienst in der evangelischen Johanneskirche in Künzelsau. Pfarrerin Gudrun Ederer stellt in ihrer Predigt ein Wort des Propheten Jeremia in den Mittelpunkt. Der Prophet hat zu seiner Zeit die Menschen aufgefordert: „Suchet der Stadt Bestes … und betet für sie zum Herrn; denn wenn's ihr wohl geht, so geht's euch auch wohl“. Was können Menschen heute tun, damit es in den Städten gut geht – das wird die Frage der Predigerin sein.

Zwischen den Predigtteilen wird von Ines Beetz am Alt-Saxophon und Philipp Neuberger an der Orgel Musik von Eugene Bozza und Bach erklingen. Ines Beetz besucht die zehnte Klasse und hat in der Vergangenheit erfolgreich am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teilgenommen. Außerdem singt die Johanneskantorei, ebenfalls unter der Leitung von Philipp Neuberger.

 

Das Städtchen Künzelsau hat 15.000 Einwohner und ist Kreisstadt des Hohenlohekreises im fränkisch geprägten Nordosten Baden-Württembergs. In den letzten Monaten wurde der Ort bekannt als Heimatort des Astronauten Alexander Gerst, der seit dem 6. Juni 2018 in der Raumstation ISS arbeitet. Von dort meldet er sich gelegentlich per Live-Schalte in seinem Heimatort. Die Evangelische Kirchengemeinde Künzelsau freut sich, dass Gerst als Kind dort zur Kinderkirche kam.

 

 

Gottesdienst nachhören

 

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen
 

Liebe Gemeinde, wie ist das, wenn man an einem Ort ist, wo man nicht freiwillig hingekommen ist? Wie ist das, wenn man Gewohntes zurücklassen muss, die Heimat verliert?

 

Wir war das mit denen, die nach dem zweiten Weltkrieg quer durch Deutschland gespült wurden? Ich denke an die Sudetendeutschen und Böhmerwälder, die so genannten Heimatvertriebenen, die Schlesier und Ostpreußen, und erinnere mich an Gespräche mit älteren Menschen, die von Bitterem zeugen, beispielsweise: Ein Flüchtlingsmädchen heiratest du aber nicht!, aber auch von großen Gefühlen der Dankbarkeit, hier etwas aufbauen zu können.

 

Bis heute kommen Migranten - nicht nur Deutsche aus Osteuropa, sondern aus Afrika, aus Syrien oder Afghanistan. Sie leben mit den gemischten Gefühlen von Neugier, Freude, Angst und Unsicherheit.

Wie ist es, in der Fremde zu leben, an einem Ort, der einem zugewiesen wurde?

 

In der Fremde mit fremden Menschen umgehen.

Damit mussten sich auch die aus Juda und Jerusalem verbannten Menschen in Babel auseinandersetzen. Das Leben in der Fremde war nicht leicht für sie. Gott lässt ihnen durch den Propheten Jeremia folgendes sagen:

 

Jer. 29:

Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte –

So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen:

Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte;

nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.

Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's euch auch wohl.

Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe.

Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.

Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören.

Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet,

so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.

 

Wie war das in der Fremde für die Migranten, für die Leute aus Jerusalem und dem Umland? Niemand war freiwillig gekommen. Zwangsweise wurde ein Großteil der Bevölkerung umgesiedelt nach Babel. Und nun musste man auslöffeln, was andere, in dem Fall der König von Juda, eingebrockt hatten. Eine große Hoffnungslosigkeit hatte sich breit gemacht. Und nun? Wie sollte man sich verhalten? Einfach warten auf bessere Zeiten? Sich abschotten gegen die Feinde? Versuchen, möglichst viel von der eigenen Tradition und Kultur zu bewahren?

 

Der Prophet lässt ihnen sagen:

 

Richtet euch ein in der Stadt. Baut Häuser. Legt Gärten an. Bleibt nicht unter euch. Integriert euch. Habt mit der Bevölkerung dort keine Berührungsängste. Heiratet auch die, die hier beheimatet sind.

Sagt nicht, was geht uns die Stadt an? Bedenkt: Wenn es der Stadt gut geht, geht es euch gut.

 

Also: Seid neugierig. Schaut, was die Einheimischen machen. Sucht das Gespräch.

 

 

Suchet der Stadt Bestes, sagt der Prophet Jeremia. Ihr, die ihr in Babel Fremde seid.

Aber was ist das Beste für die Stadt? Darunter kann man sich ganz verschiedenes vorstellen.

Fragen wir mal unseren Bürgermeister der Stadt Künzelsau, Herrn Stefan Neumann.

 

 

Ich habe in der Bibel geschaut. Was meint denn Jeremia, der Prophet im 6. Jahrhundert vor Christus, wenn er sagt: „Sucht das Beste für die Stadt“? Schaut man in den hebräischen Urtext, liest man hier für das Wort „das Beste“, das Wort „Schalom“, welches wir meistens mit Frieden übersetzen.

 

Friede für die eigene Stadt, das eigene Dorf, klar, das wünschen wir uns. Schalom im biblischen Sinne ist noch mehr. Wohlergehen sagt der Jeremia: Geht es der Stadt wohl, dann geht es auch euch wohl. Es geht dann wohl, wenn Gerechtigkeit herrscht, wenn man einander ernst nimmt und wertschätzt. Jedem das Recht auf Entfaltung einräumt und wenn alle die Regeln einhalten, die wichtig sind für das Zusammenleben.

In einer Stadt mit Schalom kann man unbeschwert und ohne Angst leben. Im Schalom kann man Geborgenheit erfahren. Schalom ist wie ein Schutzraum und ein wärmender Mantel.

Schalom heißt auch Gemeinschaft. Feiern. Essen. Trinken.

 

Wie schön ist das, wenn sich der Schalom in einer Gemeinschaft erfüllt! Aber auch welche Herausforderung!

Um das Wohlergehen von Babel sollen sich ja die in diese Stadt Verbannten bemühen. Sie sollen den Fremden Gutes tun!

Das ist eine Forderung, die Jesus später in der Bergpredigt stellt. Eine Forderung, die an alle Christen gestellt ist.

Wie geht das, über seinen Schatten zu springen, einfach mal anzufangen?

Wenn man fremd ist, wird einem ja oft auch mit Misstrauen begegnet, vielleicht auch mit Neid.

Ich höre solche Stimmen auch bei uns: Wie sehen denn die aus? Waschen die sich überhaupt? Die leben von unseren Steuergeldern. Warum können die sich nach so kurzer Zeit schon ein Haus bauen? Die machen unsere Kultur kaputt. Wenn solche in der Nachbarschaft sind, lasse ich meine Kinder nachts nicht mehr im Dunkeln daran vorbeigehen.

 

Wenn man fremd ist, wie soll man anfangen? Wie kann man Vorurteilen begegnen und die Unsicherheit überwinden?

 

Mit dem Garten anlegen stelle ich mir das am besten vor. Vor meinen Augen sehe ich so einen Streifen Schrebergarten, den man bekommen hat. Man legt los, ihn zu bearbeiten. Vielleicht arbeitet nebendran gleich der Nachbar. Man kommt ins Gespräch. Leiht einander Werkzeug. Gibt einander Tomaten oder Trauben zum Probieren, tauscht Pflänzchen aus. Ein bisschen Wohlergehen im Kleinen. Und dann kann auch einer Feindschaft über ein Nebeneinanderher leben auch ein Zusammenleben werden.

 

 

Jeder und jede kann ein Stück beitragen zum Wohlergehen einer Stadt oder einer Gemeinschaft – wenn man der alten Nachbarin den schweren Mülleimer an die Straße stellt und wenn man sich im Gemeinderat engagiert. Wenn man Freude am Gewohnten hat und Neugier und Interesse an Neuem: Das erlebe ich auch: die Afrikaner begrüßen mich mit einem freundlichen „Hallo“, wenn ich an ihrer Unterkunft vorbeijogge. Studenten und Studentinnen kochen und essen gemeinsam mit Asylsuchenden.

Eifrig und hilfsbereit trägt der kleine syrische Junge der Lehrerin ihre Tasche ins Klassenzimmer.

Deutsche Familien unterstützen jahrelang Migranten bei Behördengängen und haben enge Freundschaft geschlossen.

Wenn eine Syrerin hier Deutsch gelernt hat und nun ihrerseits an der Volkshochschule Arabisch unterrichtet – das ist ein gutes Zeichen für ein gemeinsames Bemühen um Wohlergehen.

 

Aber da gibt es auch Grenzen. Wir schaffen nicht alles. Wir erleben auch Misslingen von Integration. Der aus Gambia Geflohene merkt, er hat einfach den langen Atem zum Deutschlernen nicht. Und die ehrenamtliche Deutschlehrerin ist frustriert, weil er nur unregelmäßig zum Unterricht kommt.

Andererseits: Ist Integration misslungen, wenn Gewalt von einem Asylbewerber ausgegangen ist? Wie wichtig ist es da, nicht von einem auf alle zui schließen.

Was hilft gegen die Resignation, die sich breitzumachen droht?

 

Es hilft der Blick auf Gott. Er ist es, der uns die Idee vom Frieden eingepflanzt hat und der ihn letztendlich schafft. Und weil er darum weiß, wie oft wir mutlos werden, weil er auch weiß, wie oft wir uns selbst in unseren Leistungen überschätzen, lässt er seinem Volk und damit auch uns sagen: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.

 

Gott sagt, ich lasse euch in eurem Bemühen nicht allein. Wenn ihr mich sucht, lasse ich mich von euch finden.

Wenn ihr nicht weiterwisst, ruft mich an. Im Gebet werdet ihr mich finden. Ich bin da.

 

Zu wissen, dass man jederzeit die Verbindung zu Gott suchen kann, macht frei. Frei von Mutlosigkeit und Selbstüberschätzung. Denn dann steht noch ein weiterer Weg offen. Der Weg des Gebetes. Gut, dies zu wissen. Beten ist nie vergeblich. Wer meint, im eigenen Handeln nicht viel ausrichten zu können, der kann dennoch beten. Mit ganzer Kraft, aus ganzem Herzen.

 

Betet für die Stadt, werden die Verbannten aus Jerusalem aufgefordert. Das erscheint ja zunächst als eine ganz schöne Zumutung. Da geht es also auch um die anderen. Die Einwohner. Nicht nur um einen selbst. Für das Miteinander beten, das wäre doch schon was!

Ich glaube: Beten verbindet. Auch die Menschen unterschiedlichen Glaubens.

Beten kann den Blickwinkel verändern. Für wen ich bete, der ist mit mir zusammen im Schutzraum Gottes. Vor dem brauche ich mich nicht mehr zu fürchten. Beten kann auch Vertrauen zu anderen entstehen lassen – im Vertrauen zu Gott, der den umfassenden Schalom, Frieden und Wohlergehen will. Der Friede Gottes ist schon da. In Christus ist er unter die Menschen gekommen. Und so wie Jesus ganz klein, als Säugling, in die Welt kam, so kann es auch mit dem Frieden sein. Er beginnt im Kleinen. Und breitet sich aus. In den Herzen, in den Menschen und überall da, wo Menschen zusammenleben. In vielen Städten - auch hier in Künzelsau - beten Menschen aller Konfessionen für den Frieden, auf öffentlichen Plätzen, und sagen damit: Gottes Friede ist schon in unserer Welt. Schon jetzt. Kommt mit in seinen Schutzraum! Bietet ihn auch anderen an!

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

20.06.2018
Gudrun Ederer