Angst-Management

Angst-Manangement

Bild: Thomas Dörken-Kucharz

Angst-Management
29.07.2016 - 06:35
29.07.2016
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz

Nach der letzten Woche sind viele Menschen verängstigt. Ich auch. Fast täglich ein Anschlag, Terror oder Amok. Nirgends scheint man noch wirklich sicher. Beim Besteigen von U-Bahnen und Zügen beschleicht einen ein mulmiges Gefühl. Menschenansammlungen meidet man lieber. Nicht einmal in einer Kirche – eigentlich ein Ort der Zuflucht – ist man noch sicher. So scheint es. Und das alles mitten in Europa, in Frankreich und Deutschland.

 

Der Volksmund sagt: „Angst ist ein schlechter Ratgeber!“ Stimmt das?

 

An sich ist Angst nicht schlecht. Biologisch ist sie ein Frühwarnsystem, das den Körper in höchste Alarmbereitschaft versetzt, so dass man schnell reagieren kann. Hörte man in den Urzeiten, aus denen dieses Frühwarnsystem stammt, nachts ein Geräusch im Wald, konnte man sich entscheiden: Fliehen oder Kämpfen. Diese Angst ist wichtig, weil sie vorsichtig macht, weil man durch sie sein Tun besser abwägt. Unser uraltes Frühwarnsystem ist gut, aber nicht gut genug für die komplexen technischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben. Da verstellt Angst die klare und nüchterne Sicht auf die Dinge, weil sie unfrei macht und einengt.

 

Was heute Angst auslöst, ist selten direkt zu beeinflussen. Und dieses derzeitige Angstgefühl ist bei den allermeisten ja durch die Medienberichterstattung ausgelöst. Es ist indirekt, aber trotzdem real da, vor allem weil die Bilder und Nachrichten deutlich machen, dass man selbst gegen solche Gewalt eigentlich nicht gewappnet sein kann.

 

Niemand kann seine Ängste einfach abschütteln, man kann aber mit ihnen umgehen, indem man sie sich bewusst macht und sie, Schritt für Schritt, abbaut. Was wir brauchen, ist ein intelligentes Angst-Management. Zu sich selbst finden und Selbstsicherheit aufbauen, das hilft. Es befreit aber nicht von allen Ängsten.

 

Zu einem intelligenten Angstmanagement gehört eine Kraft, die größer ist als die Angst. Wenn sich ein Vater um seine Kinder oder eine Frau um ihren Partner sorgt, sprich, wenn sie um sie Angst haben, dann ist das nur vordergründig eine bestimmende Angst. Eine solche Angst nämlich macht mutig zu handeln und die kleineren Ängste verschwinden. Liebe und Beziehung zu seinen Nächsten sind stärker. Das Wesen der Angst ist, dass man beginnt um sie und damit allein um sich selbst zu kreisen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, braucht man etwas Größeres, an dem man sich orientieren kann. Und das gilt auch für die Politik. Nach diesen Anschlägen Sicherheitskonzepte und die Ausstattung der Polizei zu überprüfen und zu verbessern, ist richtig. Aber ein Mehr an Kontrolle und Überwachung bringt nur wenig mehr an Sicherheit. Sowohl den Rechtsextremismus wie den sogenannten IS muss man bekämpfen, aber nicht im Angstreflex, sondern mit Umsicht und nachhaltig. Das heißt z. B. mehr Psychologen in die Schulen, statt einfach mehr Polizisten auf der Straße, d.h. mehr Flüchtlingsarbeit und Begegnungen statt Abschotten und Abschieben.

 

Auch glaubenden Menschen ist kein angstfreies Dasein versprochen. Jesus sagt im Johannesevangelium: „In der Welt habt ihr Angst.“ Punkt. Das ist so. „Aber“, sagt Jesus, „seid getrost, ich habe die Welt überwunden!“ So übersetzt Martin Luther. Dieses „seid getrost“ lässt sich aber besser mit „seid mutig“, „seid beherzt“ übersetzen. „In der Welt habt ihr Angst, aber seid mutig, ich habe die Welt überwunden!“

 

Eine größere Kraft relativiert die Angst und macht so wieder frei für das Hier und Jetzt, für den vernünftigen Blick auf die Komplexität in der einen Welt. Christen können dabei auf die Liebe Gottes und die Nähe Christi bauen – und ihre Angst in der Welt deshalb womöglich besser aushalten. Sie werden nicht nur getröstet sondern ermutigt, nüchtern und beherzt zu handeln. Ihre Angst wird zur Angst um die Welt und ihre Mitmenschen.

 

Wenn sie darüber sprechen möchten, können Sie das bis halb neun tun: Die Telefonnummer ist 030 für Berlin, 325 321 344; ich wiederhole: 030 325 321 344. Oder Sie diskutieren mit auf Facebook unter „deutschlandradio.evangelisch“.

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29.07.2016
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz