Mächtiges Denken jetzt

Mächtiges Denken jetzt

Bild: gemeinfrei via unsplash.com (L.W.)

Mächtiges Denken jetzt
Gedanken zur Woche mit Pfarrer Eberhard Hadem
03.05.2019 - 06:35
07.02.2019
Eberhard Hadem
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Bei den Prognosen der Klimaforschung kann einem angst und bange werden. Die Dynamik, die wir Menschen in Gang gesetzt haben, scheint nur durch eine radikale Umkehr in einem relativ kurzen Zeitraum aufzuhalten sein. Und nicht einmal diese Erkenntnis ist sicher. Greta Thunberg hat in Davos gesagt: Ich will nicht Eure Hoffnung, ich will Eure Panik, damit Ihr endlich handelt.

Erschreckend, dass eine Jugendliche versucht, uns Erwachsenen klarzumachen: Wir müssten tatsächlich in Panik sein. Wenn unsere Kinder uns die Panik lehren wollen, was sagt das dann über uns, die Erwachsenen, aus?

 

Die Generationen meiner Großeltern und Eltern wollten nach dem 2. Weltkrieg unbedingt, dass es ihren Kindern besser gehen möge als ihnen selbst. Ich will das für meine und die Generation meiner Kinder ebenso. Das Wirtschaftswunder in Deutschland befriedigte die Hoffnungen auf mehr und besser und größer.

 

Das Mantra einer besseren Zukunft für unsere Kinder wirkt immer noch. So wie der Motor des wirtschaftlichen Wohlstands immer noch läuft. Aber er ist heiß gelaufen. Die Nachdenklichen unter den Local- und Global-Playern in Wirtschaft und Politik erkennen das. Langsam. Greta sagt, zusammen mit vielen Gleichaltrigen und mit vielen Wissenschaftlern: Zu langsam. Wir verbrennen uns an diesem Motor. Er verbrennt unsere Erde, und das ist spürbar.

 

Nur wenige können sich Wachstum anders vorstellen als ein Immer-weiter-immer-mehr. Es sind die Ungeduldigen, vor allem international die Jugendlichen und die Kinder, die eine Umkehr fordern. Bürgerinitiativen und kirchliche Gruppen setzen sich für die Bewahrung der Schöpfung ein.

‚Man kann es schon nicht mehr hören‘, sagen manche offen oder insgeheim. Ehrlich wäre es zu sagen: ‚Ich will es nicht mehr hören. Weil ich sonst nachdenken müsste, was ich tun kann.‘ Es hilft nicht, auf die Politik zu schimpfen, auf die wirtschaftlich Mächtigen oder gar auf die demonstrierenden Schüler und Schülerinnen. Wir können uns nicht selber einen Dispens erteilen, der uns von der Realität befreit.

 

Der Philosoph Hans Jonas hat zum Mantra der besseren Zukunft gesagt:

„Es ist schon viel, wenn wir sagen können, unsere Enkel werden es nicht schlechter haben. Wir müssen unsere Nachkommen davor schützen, dass sie die Zeche für uns zahlen.“

Das hat er im Jahr 1981 gesagt. Und Jonas hat weiter behauptet, dass eine „Heuristik der Furcht“ uns Erwachsene zur Vernunft bringen könnte. Er sagt:

„Das Denken, das noch eine Chance erspähen und damit aufrufen kann, etwas zu tun, ist ja schließlich dasselbe mächtige Denken wie das, was uns in die Krise und die unmögliche Misere hineingeritten hat. Eben dieses Denken muss für jene Chance offen bleiben, wenn überhaupt eine Hoffnung sein soll. Aber damit habe ich nicht gesagt, dass ich die Hoffnung habe, sondern dass ich die Pflicht sehe, sich nicht der Resignation zu überlassen.“

 

Eine biblische Erinnerung: Als die Jünger Jesu einen Wettbewerb veranstalteten, wer der Größte und der Beste sei, tat Jesus etwas Ungewöhnliches: „er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie und herzte es“ (Mk. 9, 36). Erwachsene verstehen das als moralische Verantwortung: Sie sehen in dem Kind den zukünftigen Erwachsenen, der eine gute Zukunft braucht. Im schlechtesten Fall wird es mit dem naiven Versprechen vertröstet, es werde sich schon alles richten.

 

Aber so verstanden würden wir Jesu Impuls die Schärfe nehmen. Jesus zeigt den Erwachsenen, die um das Kind herum stehen: Hier ist ein reales Kind. Es ist jetzt da. Mitten unter euch. Seht ihr es?

Für Jesus ist das Kind vor ihm kein Demonstrationsobjekt für zukünftige Verantwortung. Sondern er gibt diesem Kind sein Kindsein zurück. Deshalb heißt es: er herzte es. Geborgen in seinen Armen ist es frei von Sorgen.

 

Für mich heißt das: Es ist die Aufgabe der jetzigen Generation, sich auf mächtiges Denken zu besinnen, das aus der Krise helfen kann. Also unsere Aufgabe, Ihre und meine.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Zitate Hans Jonas aus: Dem bösen Ende näher. Gespräch über das Verhältnis des Menschen zur Natur. Suhrkamp 1993, Seite 39 und 90

 

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07.02.2019
Eberhard Hadem