Religionsfreiheit

Gedanken zur Woche
Religionsfreiheit
"Wenn wir die Freiheit der anderen verteidigen, treten wir auch für unsere eigene Freiheit ein."
22.04.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Jost Mazuch

Wenn es um Religionsfreiheit geht, höre ich genau hin. Denn sie betrifft mich und mein Leben als Christ und als Pfarrer jeden Tag. Kann ich meinen Glauben, die Gottesdienste in unserer Kirche, die Predigten, die ich halte, die Morgenandacht hier im Deutschlandfunk – kann ich das alles frei, ohne Anfeindung und ohne Einmischung des Staates gestalten? Ohne Angst, bespitzelt oder nach fremden Kriterien beurteilt zu werden? Ja, das kann ich, und darüber bin ich froh. Darum kann ich auch mit kritischen Anfragen und Diskussionen gut leben, die sich zwischen religiösen und unreligiösen Menschen immer wieder ergeben, oder auch zwischen den unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Solche Auseinandersetzungen sind in einem freiheitlichen Staat keine Bedrohung, sondern notwendig und belebend. Vorausgesetzt, dass die Religionsfreiheit respektiert wird. Und das ist eben immer auch die Freiheit der Andersglaubenden und der Nichtglaubenden.

 

Wie wertvoll die Religionsfreiheit ist, das kann man wahrscheinlich am genauesten einschätzen, wenn man in einem Land gelebt hat, in dem sie nicht gilt. In Deutschland war das im letzten Jahrhundert während zweier Diktaturen so. In der DDR und im Nationalsozialismus maßte sich der Staat an, die Religionsausübung seiner Bürger zu überwachen, einzuschränken, zu unterdrücken. Wer so etwas erlebt hat, hier oder in einem der vielen diktatorischen Regime in der heutigen Welt, wird sich eine Wiederholung sicher nicht wünschen.

 

Darum haben in dieser Woche Menschen der verschiedenen Religionen und Politiker aller anderen Parteien vehement widersprochen, als eine Partei den Islam und die Muslime in Deutschland öffentlich diffamierte und Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit forderte. Mir scheint das Kalkül dahinter: mit solchen Äußerungen in möglichst viele Schlagzeilen zu kommen. Dieses Kalkül ist ein Spiel mit dem Feuer – die so wichtige Hemmschwelle im demokratischen Diskurs sinkt unter die vom Grundgesetz gezogene Linie. Ich wünsche solchen Rednern, dass sie sich damit bei allen gläubigen Menschen, gleich welcher Religion, unmöglich machen.

 

Denn worum geht es bei solchen Reden? Die für sich alle Freiheit bis an die äußersten Grenzen in Anspruch nehmen? Sie spekulieren auf die Angst vor dem, was vielen unbekannt oder fremd ist, und sie legen nahe, es wäre das Beste, wenn es dieses Fremde – sprich den Islam – hier bei uns nicht gäbe. Solche allgemeinen und abstrakten Reden gegen „den Islam“ grenzen ganz konkrete Menschen aus. Solche Reden schüren Angst, anstatt sie abzubauen. Und sie behaupten dabei noch, das christliche Abendland zu retten. Nein, danke! Wer Menschen aufgrund ihrer Religion ausgrenzt, greift damit auch den christlichen Glauben an.

 

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – dieser zentrale Satz des Evangeliums führt ja sehr einfach die goldene Regel vor Augen, die auch in anderen Religionen und Weltanschauungen beherzigt wird: Was wir für uns selbst wünschen, hoffen und in Anspruch nehmen, das sollen wir auch den anderen gönnen. Daher können Christen selbstbewusst und ohne Angst die Freiheit der anderen Religionen verteidigen und jedem Angriff auf Muslime, Juden oder anders Gläubige deutlich entgegentreten. Wir Christen sind damit ganz bei unserer Sache. Wenn wir die Freiheit der anderen verteidigen, treten wir auch für unsere eigene Freiheit ein. Wenn wir die Angst voreinander abbauen, wenn wir die anderen kennen und respektieren lernen, dann stärkt das auch das eigene Selbstbewusstsein. Und das haben wir Christen: Religionsfreiheit ist auch, sich des Evangeliums nicht zu schämen.

 

Es wird in unserem Land und in der Welt keinen Frieden geben ohne Frieden der Religionen. Darum gilt es, diesen Frieden zu stärken. Nicht irgendeine Religion ist gefährlich, sondern der Hass, egal in welcher Gestalt.

 

Wie können Christen dem Hass widerstehen? Wenn Sie mit mir darüber sprechen wollen, können Sie mich bis acht Uhr anrufen unter der Telefonnummer 030 325 321 344. Ich wiederhole: 030 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit auf Facebook unter „deutschlandradio.evangelisch“.

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27.12.2015
Pfarrer Jost Mazuch