Christlich-muslimische Familie

Morgenandacht
Christlich-muslimische Familie
21.04.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Jost Mazuch

Seinen Zugang zum christlichen Glauben fand Michael Blume ausgerechnet durch muslimische Mitschüler. Die fragten ihn: „Warum stellt ihr Christen eigentlich im Winter Bäume in eure Zimmer?“ Sie nahmen selbstverständlich an, dass der junge Deutsche Christ sei. Der aber war aus  der DDR in den Westen gekommen und ganz ohne kirchlichen Einfluss aufgewachsen. Die Frage nach dem Sinn des Weihnachtsbaumes ließ ihm damals, vor über 20 Jahren, keine Ruhe. Er suchte in der Schulbibel. Dort fand er zwar nichts über Weihnachtsbäume, dafür aber manches andere, was ihn interessierte und nicht mehr losließ. Und in gewisser Weise hat er bis heute nicht mit dem Nachforschen aufgehört. Mittlerweile, als Erwachsener, lehrt und forscht Michael Blume als Religionswissenschaftler über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Religionen.

 

Sein Interesse wurde damals in der Schule geweckt. Er las in der Schulbibel und wollte mehr wissen. Der Religionslehrer, ein Pfarrer, half ihm weiter. Und weil er neugierig geworden war, fragte er seine muslimische Klassenkameradin Zehra nach ihrem Glauben und nach ihrem Buch, dem Koran. Die reagierte mit einer Einladung nach Hause, wo sie über Christentum und Islam sprachen – anfangs unter den wachsamen Augen von Zehras Schwester. Inzwischen sind die beiden seit 18 Jahren verheiratet. Und sie sind mit ihrer religions-verbindenden Familie ein Beispiel dafür, wie gut das Zusammenleben von Menschen verschiedener religiöser Prägung gelingen kann.

 

Aus dem ursprünglich unreligiös erzogenen Michael wurde ein engagierter Christ, der sich als Erwachsener taufen ließ. Seine muslimische Verlobte Zehra begleitete ihn bei der Taufe, sie entzündete für ihn die Taufkerze. Die beiden heirateten. Als ihre Kinder geboren wurden, ließen sie beide in einer gemeinsamen Familienfeier christlich und muslimisch segnen. „Wir erzählen den Kindern von den verschiedenen, menschlichen Gottesbildern“, sagt Michael. „Und wir vermitteln ihnen, dass es ein Glück ist, dass sie ihren ganz persönlichen Weg wählen können.“

 

Die Älteste möchte nun evangelisch getauft und konfirmiert werden. „Wir freuen uns beide mit ihr“, sagen die Eltern. Jesus ist für sie beide wichtig; auch wenn im Islam anders von ihm gesprochen wird als in der christlichen Kirche. Über diese Unterschiede reden sie miteinander, mit den Kindern und auch in einer Christlich-Islamischen Gesellschaft, die sie zusammen mit anderen gründeten.

 

Im Familienalltag spielt der Glaube eine selbstverständliche Rolle. „Wir danken Gott bei Tisch“, erzählt Michael. „Und wir haben doppelt so viele Feiertage im Jahreslauf wie andere, denn wir begehen die christlichen und die muslimischen Feiern gemeinsam.“ So ist den Kindern und den Erwachsenen die Vielfalt der Religionen ganz alltäglich bewusst. Der Respekt vor unterschiedlichen Traditionen und Überzeugungen muss nicht erst mühsam erlernt werden. Es ist wohl ähnlich, als wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen. Vielleicht ist das manchmal anstrengend, nicht nur eine Muttersprache, oder eine Mutterreligion zu haben, sondern auch eine Vatersprache, einen Vaterglauben. Aber es kann in beiden Fällen eine Bereicherung werden.

 

Den eigenen Glauben schwächt das nicht – im Gegenteil. Wenn ich den Glauben, den ich von Eltern oder anderen Vorbildern erlernt habe, mit anderen vergleiche, die anders glauben, dann vertieft das meine religiösen Wurzeln. Das führt gerade nicht zur Beliebigkeit. Der Respekt, den ich anderen entgegenbringe, macht mich selbst in meinem Glauben stärker. Was vorher eine zufällige Prägung gewesen sein mag, wird dann zu einer bewusst gelebten eigenen Haltung.

 

Zehra und Michael Blume haben Freunde aus vielen Religionen: Juden, Sikhs, Buddhisten, Bahai, Yeziden; und auch Nichtreligiöse gehören dazu. Sie erleben es als Bereicherung, an deren Erfahrungen teilzuhaben. Gerne laden sie nichtmuslimische Freunde zum Ramadan-Iftar ein und nichtchristliche Freunde zum Weihnachtsfest – mit Gottesdienstbesuch und natürlich: mit Tannenbaum.

27.12.2015
Pfarrer Jost Mazuch