Das „Kirchenfräulein“ Elisabeth Schwarzhaupt

Morgenandacht
Das „Kirchenfräulein“ Elisabeth Schwarzhaupt
Es ist überall ein langer Weg zu gleichen Rechten – aber er lohnt sich
24.02.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrerin Heidrun Dörken

„In diesem Kreis sind auch Sie ein Herr!“ So wies Konrad Adenauer Elisabeth Schwarzhaupt zurecht, die erste deutsche Ministerin[i] . Sie hatte höflich dagegen protestiert, dass Kanzler Adenauer die Kabinettssitzung immer noch mit: „Morgen, meine Herren!“ eröffnete, obwohl sie als Gesundheitsministerin dazugehörte.

 

Es ist fünfundfünfzig Jahre her, dass die erste Frau in der Geschichte der Bundesrepublik ein Ministeramt übernahm[ii]. Jahrelang hatten weibliche Abgeordnete darum gekämpft. Man erzählt sich, Adenauer hätte die Frankfurterin Elisabeth Schwarzhaupt „Kirchenfräulein“ genannt. Nicht sehr respektvoll für eine promovierte sechzigjährige Juristin, die als Richterin und als Oberkirchenrätin gearbeitet hatte. Sie war nicht verheiratet. Unter der Naziherrschaft war ihre Verlobung mit einem jüdischen Arzt zerbrochen, der vor Hitler fliehen musste.

 

Anfang der fünfziger Jahre kam sie für die CDU in den Bundestag[iii]. Es gab viel zu tun. Artikel drei, Absatz zwei des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ hatten die Mütter der Verfassung zwar gegen viel Widerstand durchgesetzt. Doch jetzt mussten die Gesetze beseitigt werden, die die Gleichberechtigung verletzten. Allen voran der sogenannte Gehorsamsparagraph[iv]. Da stand drin: In einer Ehe stehen dem Mann alle Entscheidungen in gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu; er bestimmt auch Wohnort und Wohnung. Nicht nur die meisten der CDU-Fraktion wollten das so lassen, auch viele in den Kirchen. Dazu bemühten sie auch die Bibel. Ein Kardinal sagte, damit wäre wörtlich „ die natürliche Ordnung in der Familie gefährdet“. Nach der hätte angeblich der Mann das letzte Wort[v].

 

Elisabeth Schwarzhaupt hat es schließlich geschafft, den Gehorsamsparagraph zu streichen. Als engagierte evangelische Christin kannte sie sich mit dem Geist der biblischen Schriften aus und konnte die widerlegen, die im Namen Gottes die Unterordnung der Frau festschreiben wollten. Sie wusste: Vor Gott und in Christus sind Mann und Frau gleich. Wo von Unterordnung der Frau unter den Mann die Rede ist, wie einmal beim Apostel Paulus, da war das schon damals weder ein Naturgesetz noch eine Rechtsverordnung und schon gar kein Dogma für den christlichen Glauben. Ganze vier Jahre hat ihr Kampf gedauert.

 

Der Einsatz von Elisabeth Schwarzhaupt erinnert daran, wie zäh das oft ist, wie viele Gegner es gibt, wenn man gleiche Rechte durchsetzen will: In den Gesetzen und wahrscheinlich noch mehr in den Köpfen. Geduld und Entschlossenheit sind nötig. Daran denke ich, wenn zurzeit diskutiert wird, wie gleiche Rechte für Mann und Frau auch von allen anerkannt werden, die aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen, anderen politischen Verhältnissen und Religionen.

 

Es hat mich überrascht und macht Hoffnung, dass in den Köpfen der Mehrheit der jungen Muslime viel passiert ist. Eine repräsentative Umfrage aus dem letzten November[vi] in acht arabischen Staaten belegt: Muslime zwischen fünfzehn und vierunddreißig Jahren wünschen mit großer Mehrheit[vii], dass es viel mehr weibliche Religionsgelehrte und Predigerinnen geben soll. Die Männer sollen die religiösen Gespräche nicht mehr dominieren. Bei dieser Meinung gab es keine Unterschiede bei den befragten Männern und Frauen, die unter anderem aus Marokko, Ägypten oder Kuwait stammen[viii]. Selbst im konservativen Saudi-Arabien wünschen sich 75 % weibliche Imame.

 

Das wird noch ein sehr weiter Weg, erst recht die politische Gleichberechtigung dort. Aber offenbar wollen ihn viele junge Leute gehen.

 

Bei uns in Deutschland werden fünf von fünfzehn Ministerien von Frauen geführt. In Kanada sind inzwischen die Hälfte aller Minister Frauen. Was Elisabeth Schwarzhaupt aber schon freuen würde: Hier wie dort wird keine mehr mit „Herr“ angesprochen.

 

[i] *1901 Frankfurt/Main, + 1986 Frankfurt/Main

[ii] 1961

[iii] 1953

[iv] § 1354 BGB

[v] So z.B. Joseph Kardinal Frings 30.1.1953

[vii] Zwischen 63 und 95 %

27.12.2015
Pfarrerin Heidrun Dörken