Das Pfingstwunder

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Claudio Schwarz

Das Pfingstwunder
Morgenandacht von Marie Marondel
27.05.2023 - 06:35
03.03.2023
Marie Marondel
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Morgen ist Pfingstsonntag. Für viele ist das ein Grund zur Freude! Für Christ*innen ist Pfingsten auch der Geburtstag der Kirche. Das sogenannte ‚Pfingstwunder‘ ist für mich allerdings schwer begreifbar. In der Apostelgeschichte wird es in etwa so beschrieben: Viele Menschen von unterschiedlicher „Nation“ (Apg 2,5) waren zu einem Fest versammelt, darunter auch eine Gruppe von Jesusanhänger*innen. Es zog ein starker Wind auf, „zerteilte Zungen wie von Feuer“ (Apg 2,3) erschienen über ihren Köpfen und sie wurden vom Heiligen Geist erfüllt. Und auf einmal war es ihnen möglich in verschiedenen Sprachen zu reden und zu predigen und alle konnten sich ohne Mühe verstehen.

Zu abstrakt war mir das Bild der ‚Feuer-Zungen‘. Kaum nachvollziehbar, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Muttersprache auf einmal die Sprachen um sie herum nicht nur verstehen, sondern auch sprechen konnten. Ohne Wörterbuch, ohne Dolmetscher*innen! Auch die Menschen in der Apostelgeschichte konnten es kaum glauben und schoben es auf den „süßen Wein“ (Apg 2,13). Ich speicherte die Erzählung als eines der großen Wunder ab, als etwas, das ich nicht verstehen musste, mir aber die Kraft des Heiligen Geistes veranschaulichen will.

Das war so, bis ich mit meinem Fahrrad mitten am Tag an einer Ampel in Berlin-Mitte stand. Die Gegend war belebt, um die Sehenswürdigkeiten und Museen tummeln sich immer viele Reisebusse und Tourist*innen. Unzählige Sprachen zwischen den Hausfassaden. Kaum einen Menschen trifft man hier zwei Mal. Ein Tourist sprach mich in bemühtem Deutsch an und fragte mich nach dem Weg. Nach einigem Hin und Her und mithilfe der Handynavigation konnte ich ihm und seiner Gruppe helfen. Sie bedankten sich und gingen. Eine von ihnen lächelte mich besonders freundlich und dankbar an, drehte sich wieder um und kehrte zu mir zurück. Sie schaute mich an, musterte mich, redete viel und schnell auf mich ein und gestikulierte - nicht aggressiv, sondern freundlich, irgendwie liebevoll. Ich folgte ihr aufmerksam. Ich hatte das Gefühl, genau zu wissen, was sie meinte und war tief berührt. Schließlich verabschiedeten wir uns freundlich und sie folgte der Gruppe.

Als sie weg war, stutzte ich. Eigentlich wusste ich überhaupt nicht, was sie zu mir gesagt hatte. Kein einziges ihrer Worte hatte ich verstanden. Noch nicht einmal die Sprache hatte ich erkannt.

Das fühlte sich komisch an. Ich war unruhig und neugierig und wollte wissen, was sie gesagt hatte, was sie wohl von mir wollte. Und gleichzeitig war ich mir in dem Moment sicher, dass ich sie verstehe, dass ich genau weiß, was sie mir sagen will. 

Ich denke noch oft über diese Situation nach. Sie erinnert mich an andere Momente: Wenn ich z.B. an jemanden denke und diese Person sich kurze Zeit später bei mir meldet. Wenn ich in einer Nachricht zwischen den Zeilen lese, was gemeint ist. Oder die Umarmung, an der meine beste Freundin spürt, dass es mir gerade nicht gut geht... Dann denke ich an das ‚Pfingstwunder‘ aus der Apostelgeschichte. Meine Begegnung an der Kreuzung in Berlin- Mitte war nun nicht gerade ein biblisches Wunder. Aber ich konnte eine Antwort in dieser Parallele finden: Ich glaube, es gibt etwas, das Menschen miteinander verbindet, das größer ist als Worte es ausdrücken können. Ich denke, dass Religion, Glaube, dass Gott Menschen miteinander verbinden kann. Auf einer besonderen Ebene. Keine Ahnung, ob diese Person in Berlin Mitte religiös war. Aber vielleicht kann Gott so etwas wie ein Übersetzer sein. Und vielleicht, wenn ich bei Gott bin, kann ich lernen mit dem Herzen zu hören und Barrieren zu überwinden.

Das ist mein ganz persönliches Pfingstwunder. Die eine Geschichte hilft mir, die andere zu verstehe.

Es gilt das gesprochene Wort.

03.03.2023
Marie Marondel