Der Fuchs ist schlau

Morgenandacht
Der Fuchs ist schlau
08.07.2021 - 06:35
01.07.2021
Holger Treutmann
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Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es andersrum.
Mit diesem kleinen Spottgedicht stellte man immer wieder mal meinen Humor auf die Probe, als ich in den 90er Jahren von Hannover nach Mitteldeutschland kam.

Immer schwingt ein ironischer Protest gegen vorgegebene Machtstrukturen mit, wenn Menschen Fabeln erzählen. Sie sind so etwas wie die Politsatire des Altertums. Der griechische Dichter Äsop verfasste  eine Reihe klassischer Fabeln, in denen die Tiere für bestimmte Wesenszüge des Menschen Pate standen. Der Fuchs gilt eben als schlau. Der Rabe als eingebildet, aber wenig guter Sänger. Und so preist der Fuchs  den Raben für seine Singstimme. Geschmeichelt fällt dem Raben beim Singen der Käse aus dem Schnabel, und der schlaue Fuchs unter dem Baum hat sein Ziel erreicht.

Auch in der Bibel wird eine Fabel erzählt. 

Einst gingen die Bäume hin, um einen König über sich zu salben,
und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König!
Aber der Ölbaum antwortete ihnen:
Soll ich meine Fettigkeit lassen, die Götter und Menschen an mir preisen,
und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum:
Komm du, und sei unser König!
Aber der Feigenbaum sprach zu ihnen:
Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen,
und hingehen, um über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen alle Bäume zum Dornbusch:
Komm du, und sei unser König!
Und der Dornbusch sprach zu den Bäumen:
Ist’s wahr, dass ihr mich zum König über euch salben wollt,
so kommt und bergt euch in meinem Schatten;
wenn nicht, so gehe Feuer vom Dornbusch aus und verzehre die Zedern des Libanon. (Richter 9, 8-15)

Es ist Wahlkampf. Wir wählen keinen König, sondern Vertreter des Volkes. Aber die politischen Ämter sind auch heute mit Macht und Verantwortung ausgestattet. Deshalb ist eine solche Wahl kein Akt der Beliebigkeit und keine Sportwette, bei der man mal zocken kann und sehen, was passiert.
Es ist respektabel, wenn Menschen ihr Gesicht, ihre Person und ihre Begabungen zur Verfügung stellen, um ein Land zu regieren. Nicht selten werden sie dadurch auch beschädigt.
Und so sind die Bäume weise, wenn sie zunächst einmal ablehnen und sich ihrer eigenen Gaben erinnern. Als Oliven oder Feigenbaum, oder Weinstock gar, der irdisches wie himmlisches Getränk liefert. Und klug beschreiben sie, was Wirklichkeit ist. Wer für andere regiert, ist immer auch in der Gefahr ein wenig abzuheben. Soll ich denn über den Bäumen schweben?  Nicht in allen Bereichen kann man fachlich qualifiziert sein und muss doch entscheiden.

Es gibt aber auch ein verantwortungsloses Schweben über den Dingen. Manchmal ist es Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit; manchmal Arbeiten in die eigene Tasche als selbstverschaffte Wiedergutmachung  für die Wunden, die man sich in der Öffentlichkeit hat schlagen lassen. 
Ein Baum, der schwebt. Was für ein Bild! Entwurzelt von seinem ursprünglichen Auftrag.

Und noch eine Gefahr zeigt die zeitlose Fabel auf:
Manche wählen die letzte Alternative, nur um überhaupt einen Regenten über sich zu haben. Die Qualität spielt dann nicht mehr die Rolle. Und der Dornbusch macht deutlich, wie seine Regentschaft aussehen wird. Er schart seine Anhänger in seinem Schatten. Wehe aber den anderen. Sie wird das Feuer fressen.

So geht Demokratie jedenfalls nicht. Gute Politik weiß um die eigenen Stärken und Grenzen. Sie pflegt den Austausch auch mit anders Denkenden. Sie lässt sich anregen zum Kompromiss und bleibt auf der Suche nach der besten Entscheidung für möglichst viele -  am besten für alle im Land.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

01.07.2021
Holger Treutmann