Die Guten haben eine Seele

Morgenandacht
Die Guten haben eine Seele
27.04.2021 - 06:35
22.04.2021
Peter Oldenbruch
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Die Guten haben eine Seele, sagen die Kenner von Korkenziehern. Brauchbare Korkenzieher haben eine Seele. So nennt man den Freiraum mitten in der metallenen Spirale. Da passt knapp ein Streichholz rein. Seelenlose Zapfenzieher bohren bloß ein Loch in den Korken. Und bei älteren Flaschen bleibt der Korken dann gern stecken. Ein Korkenzieher mit Seele zieht den ganzen Korken heraus. Und: es gibt auch weniger Korkkrümel, die den Weingenuss trüben könnten. Gute Korkenzieher haben eine Seele. Und die Menschen?
...
Bis vor 100 Jahren etwa haben sogar Naturwissenschaftler nach der Seele gesucht. Ist sie ein Organ? Wiegt sie etwas? Und noch in meiner Kindheit öffneten Angehörige unmittelbar nach dem Tod eines Menschen die Fenster und verhängten die Spiegel in der Wohnung mit einem Tuch. So hat die Seele freie Bahn - auf ihrem Weg zu Gott und dotzt nicht irrtümlich in einen Spiegel. Wer nach dem Tod eines Menschen den Spiegel verhängt, versteht die Seele als Substanz. Sie mag zwar unsichtbar sein und irgendwie auch blind, aber sie existiert - real.
...
Wenn wir heute von der Seele sprechen, meinen wir das, was uns ausmacht, was uns zu dem Menschen macht, der wir tatsächlich sind. Ein Kind sagt: „Die Seele ist was, was im Herz ist, was man zum Lachen und zu allem braucht. Man kann sie nicht verkaufen, weil sie unsichtbar ist.“
Die Seele ist jedenfalls innen, vielleicht: der Kern, das Wesen der eigenen Person. Manche glauben, dieser Seelenkern in uns sei unzerstörbar, unsterblich. Die Seele bleibe erhalten, auch dann, wenn ihre sterbliche Hülle verwest oder zu Asche geworden sei. Dass die Vorstellung einer unsterblichen Seele in unsere Religion Eingang finden konnte, das hängt wohl auch mit einer Passage des Apostels Paulus zusammen,     aus dem zweiten Korintherbrief.
„Darum werden wir nicht mutlos, sondern wenn auch unser äußerer Mensch zerfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unser gegenwärtiges Leiden, das leicht wiegt, schafft uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist vergänglich. Was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“
Eine tröstliche Idee, dass wir nun nicht unbedingt über ein Organ, aber doch über die Kunst verfügen,     jenseits des Sichtbaren und Vergänglichen etwas Unsichtbares und Ewiges wahrzunehmen.
Eigentlich ist diese Kunst der Wahrnehmung kein Sehen, eher ein Schauen. Fotografieren kann man nicht, wovon Paulus hier redet, wahrnehmen, schauen offenbar schon.
...
Ein lebendiges Wesen wurde der Mensch, erzählt die Schrift, weil Fleisch und Blut, Haut und Knochen - beseelt wurden. 
„Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ 
Der Odem des Lebens, die Seele (sag´ ich jetzt) wurde dem Menschen eingehaucht. Die Seele wäre dann ein Hauch Gottes und somit eine Art Antenne, ein siebter Sinn fürs Unendliche, fürs Ewige.    Nicht allein für Korkenzieher gilt: Die Guten haben eine Seele. Wir Menschen sind beseelte Wesen. Und verlieren deshalb nicht den Mut. Selbst das Schwere wird leicht, etwas Unvergängliches scheint darin auf.

Es gilt das gesprochene Wort.


 

22.04.2021
Peter Oldenbruch