Krippengewimmel

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Batang Latagaw

Krippengewimmel
24.12.2022 - 06:35
29.07.2022
Matthias Viertel
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Die Sendung zum Nachlesen: 

In meiner Familie ist es üblich, die Krippe schon ein paar Tage vor dem Weihnachtsfest aufzustellen. Am Anfang waren das nur drei Figuren aus Ton, Maria, Josef und das Christkind – mehr nicht; dazu eine offene Hütte mit Strohdach, die ich aus Sperrholz gezimmert und mit ein bisschen Stroh ausgelegt hatte. Mit der Zeit sind dann immer neue Figuren dazu gekommen: zuerst Ochse und Esel –  das war den Kindern besonders wichtig, denn sie mögen Tiere. Dann die Hirten vom Feld, zusammen mit ein paar Schafen, ohne die sie ja keine Hirten wären. Und einen Hund, um die Herde zusammen zu halten.

Längst waren unsere Figuren nicht mehr alle aus Ton gemacht, einige aus Holz geschnitzte waren darunter, so zum Beispiel die Heiligen Drei Könige. Mit ihrem Gefolge, natürlich auf Kamelen. Und irgendwann standen dann auch noch ein paar andere Figuren an der Krippe, die wir nicht in dem Kästchen liegenlassen wollten, und ihnen deshalb ebenfalls einen Platz organisierten. Eine von ihnen betrachten wir als Hebamme, tatsächlich wird in alten kirchlichen Schriften immer wieder eine Hebamme erwähnt. Die andern nennen wir einfach Freunde oder Nachbarn.

Das alles zusammen ergibt ein eigenartiges Bild, gerade weil es aus so unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt ist, die auf den ersten Blick gar nicht zueinander passen. Dass Stall und Krippe schon eine Woche vor Weihnachten hingestellt wird, ist einleuchtend, denn schließlich müssen Maria und Josef beides ja vorfinden nach ihrer Wanderung von Nazareth nach Bethlehem. Und die Hirten sind dort ja gewissermaßen zuhause, also auch schon vor Weihnachten da.

Mit der Zeit haben wir in der Familie dann eine eigene Dramaturgie der Weihnachtsgeschichte entwickelt, jeden Tag wird das Ensemble neu sortiert. Am Anfang ist die Krippe natürlich noch leer und die Hirten stehen etwas weiter abseits. Erst wenn die Heilige Familie am 24. Dezember in den Stall einzieht, kommen Stück für Stück auch die anderen. Zusätzlich noch ein paar Engel mit Musikinstrumenten. Und dann zum Schluss erst die Weisen aus dem Morgenland und alle anderen.

Es ist ein richtiges Gewimmel rund um die Krippe. Uns macht das deutlich: Weihnachten ist ja gar kein Familienfest! Wir haben uns so daran gewöhnt, im engsten Kreis beieinander zu sitzen, mit Eltern, Geschwistern und Großeltern. Und manchmal kommt dann noch eine Tante oder ein Onkel dazu. Aber in der Weihnachtsgeschichte ist das ganz anders. Sogar ganz Fremde gehören dazu, etwa die Hirten. Die waren einsam und gerade in der Gegend, sie kommen ungefragt. Und den ganz großen Auftritt haben die drei Heiligen Könige, weil sie den weitesten Weg hinter sich haben: sie kommen aus den Nachbarstaaten, aus Assur, Babylon und Persien, heute sind das Syrien, Iran und Irak. International ist die originale Festgesellschaft an der Krippe ausgerichtet, und sogar interreligiös, denn natürlich pflegten die Könige, die drei Weisen aus dem Morgenland, unterschiedliche Religionen.

Natürlich muss es an der Krippe ein richtiges Sprachgewimmel gegeben haben: griechisch, aramäisch, syrisch – alles redete durcheinander und mittendrin noch das Geblöke von Ochs und Esel, von Schafen und Hunden. Begleitet von einer himmlischen Musik der Engel, die ihre Posaunen mitgebracht hatten.

Eine wunderbare Vorstellung, die eine so bunt zusammengewürfelte Krippe vor Augen hält. Dass wir Menschen so verschieden sind, dass wir anders aussehen, andere Vorstellungen haben, anders reden und handeln – das ist bereichernd. Es ist schön. Wenn diejenigen, die sonst meistens wie Ochs und Esel streiten, zusammenstehen; wenn Syrer und Palästinenser friedlich feiern, wenn auch Freunde und Nachbarinnen dazukommen, dann kann Weihnachten beginnen. Eben kein Fest nur für die Familie. Der Stall in Bethlehem hatte keine verschlossenen Türen, da konnten alle kommen, jeder und jede ist eingeladen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

29.07.2022
Matthias Viertel