Lockdown und Liebe

Morgenandacht
Lockdown und Liebe
29.10.2020 - 06:35
12.08.2020
Annette Bassler
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„Lockdown, Der“. Ein Fremdwort erobert gerade unsere Sprache und unseren Alltag. Im Duden steht es auch schon. „Lockdown, Der“.

Der Begriff stammt eigentlich aus der Terrorbekämpfung. Lockdown bedeutet: Straßen sperren und Gebäude versiegeln. Damit sollen nach einem Anschlag die Täter eingekreist und potenzielle Opfer geschützt werden. Viel Dramatik also.

„Lockdown, Der“. Ich würde dieses Wort gern aus meinem Wortschatz streichen. Denn bei uns geht es ja nicht um böse Terroristen. Es geht nur um ein Virus. Das ist nicht böse, es will sich nur vermehren. Und tut das ziemlich berechenbar. Deshalb finde ich, das Wort „Schutzmaßnahmen“ würde völlig ausreichen. Denn wir kennen das Virus inzwischen ganz gut und könnten vernünftig damit umgehen. Aber mit der Vernunft ist das so eine Sache.

Ich weiß, dass es vernünftig ist, Abstand zu halten und mich nicht mit vielen Leuten im geschlossenen Raum zu treffen. Aber dann habe ich so eine Sehnsucht danach, meine Liebsten mal wieder in den Arm zu nehmen oder mit Freunden auf Tuchfühlung am Tisch zu sitzen und ab November auch wieder mit ihnen zu schunkeln. Da überkommt mich doch immer wieder die Versuchung, es zu durchbrechen, das „Social distancing“. Auch so ein Wort!

In der Bibel gibt es eine Geschichte, in der hat Jesus sich selber mal so einen Lockdown verordnet. Lockdown, social distancing und on top: radikalfasten. Vierzig Tage zieht er sich von seinen Liebsten zurück. Umgibt sich mit nichts Anderem als Sand und Steine, Wind und Wetter.

Einsamkeit und Fasten ruft alle Bedürfnisse auf den Plan, die man hat: Hunger, Durst, das Bedürfnis nach Nähe, nach Anerkennung und Erfolg. In der Einsamkeit werden alle inneren Stimmen laut, die sonst im Lärm des Alltags untergehen.

„Du bist der Sohn von Josef, dem Zimmermann. Und du wirst mal seinen Betrieb übernehmen und ihn erfolgreich weiterführen. Das ist deine Pflicht als Sohn. Und es wird dir ein gutes Auskommen sichern. Vielleicht sogar großen Erfolg.“ Jesus hat sich das oft gesagt. Weil es das Normale war, dass ein Sohn den Betrieb des Vaters übernimmt und eine Familie gründet. Weil er gespürt hat, wieviel Potential in ihm steckt. Aber etwas war bei der Vorstellung nicht richtig. Nur was?

In der Einsamkeit wirft er sich mit seinen Fragen Gott in die Arme: „Zeig du mir meinen Weg. Ich weiß es nicht. Du willst, dass ich ein erfülltes Leben führe. Zeig mir, welches das ist!“ So hat er mit Gott gerungen und mit der Versuchung. Vierzig Tage und Nächte. Rückzug. Schutzmaßnahmen gegen die Gefahr, die falsche Lebensentscheidung zu treffen.

Nach vierzig Tagen und Nächten dann fällt der Ballast von ihm ab. Alle verführerischen Aussichten, alle teuflisch guten Ideen für ein Leben in Ansehen und Erfolg lösen sich auf wie Nebel in der Morgensonne. Und Jesus spürt eine Wärme in sich, fühlt sich so unendlich geliebt, dass er nun weiß, wohin sein Weg geht. Da tat sich der Himmel auf, erzählt die Bibel, und die Stimme Gottes sagte zu ihm: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich meine Freude!“

Damit endet der erste und einzige Lockdown der Bibel. Und es beginnt die Geschichte Jesu, die bis heute noch lange nicht zu Ende erzählt ist.

Ich weiß nicht, wie wir durch diesen Winter voller Rückzüge und Schutzmaßnahmen kommen werden. Wie wir den vielen Versuchungen standhalten können.

Aber ich wünsche uns, dass wir darin auch die Chancen sehen und ergreifen, die aus so einer Situation erwachsen können. Ich hoffe sehr, dass uns diese Zeit der Frage näherbringt, was wirklich wichtig ist im Leben. Und dass wir deutlicher wissen und spüren, was unsere Aufgabe ist in der Welt und wie wir einander helfen können. Zur Fülle des Lebens.

„Fülle des Lebens, Die“. Was für ein Wort!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

12.08.2020
Annette Bassler