Gemeinfrei via unsplash/ Damian Denis
Steh auf, iss und trink
Gedanken zur Woche von Pfarrerin Annette Bassler
24.06.2022 06:35
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Sendung zum Nachlesen:

"Irgendwo ist immer Krise. Und Krisen sind Rudeltiere. Sie kommen selten allein, sie verstärken sich gegenseitig..." Als ich das gelesen habe, dachte ich: das trifft es...

Wie soll die Menschheit dieses Rudel von Krisen je bewältigen können? Frage ich mich. All die Nachrichten machen mich nur noch ratlos. Und ich sehne mich nach Urlaub, nach dem Meer und dem Sand, in den ich gerne meinen Kopf stecken würde.

 

Erdrückend allein die Nachrichten eines Tages: Waldbrände in Brandenburg außer Kontrolle, Hochwasser in Bangladesch mit tausenden von Obdachlosen, Hitzetote bei uns. Das alles Mitte Juni. Wetter, das erahnen lässt, wie das Klima der Zukunft aussehen könnte.

 

Wegen der Drosselung der russischen Gaslieferungen hat die Bundesregierung gestern die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Übergangsweise sollen Kohlekraftwerke hochgefahren werden. Um ein gesellschaftliches Chaos mit Verlust von Arbeitsplätzen und Unterbrechung von Lieferketten zu vermeiden. Aber dann leidet das Klima.

 

Ich beneide die Politiker nicht, die in dieser Woche zusammenkommen - auf dem G7-Gipfel, in der EU und der Nato, zur Konferenz gegen die befürchtete Hungersnot. Sie müssen versuchen, den Wandel zu steuern, sie müssen für die globalen Krisen internationale Strategien entwickeln. Und das geht nicht auf die Schnelle. Dafür brauchen wir alle einen langen Atem.

 

Mich erinnert das an die Geschichte des Propheten Elia. Mit unglaublichem Einsatz hat er sich für das Gute engagiert, hat sogar mit dem Schwert gegen die Macht des Bösen gekämpft. Aber sein Sieg ist nur von kurzer Dauer und er muss wieder um sein Leben fürchten.

Lass es gut sein! Sagt er zu Gott. Ich habe genug. Genug gekämpft, genug mich aufgerieben. Ich wollte es besser machen als meine Vorfahren. Aber ich bin um keinen Deut besser. Lass es gut sein.

 

Elia will einfach nur seine Ruhe haben. Seine Grabesruhe. Und flüchtet dazu in die Wüste, legt sich unter einen Wacholder und fällt in komatösen Schlaf.

Da kommt jemand vorbei und rüttelt ihn wach. Hält knuspriges Brot vor seine Nase. Träufelt frisches Wasser auf seine Lippen. "Iss und trink" sagt eine Stimme.  Elia isst und trinkt und fällt danach wieder in tiefen Schlaf. Und noch einmal kommt jemand und rüttelt an ihm. Gibt ihm nochmal Brot und Wasser.

 

Vielleicht war das ein Beduine. Oder eine Frau auf dem Weg zum Brunnen. Nervig penetrant ist sie in ihrer Fürsorge und von engelsgleicher Unbeirrbarkeit. Bote Gottes, nennt sie die Bibel. Ein Engel mit Nahrung für Leib und Seele.

 

In der Wüste sind das Brot und Wasser. Im Überdruss an Krisen ist es vielleicht ein liebevoller Blick, der mich streift. Oder der Duft von Blumen und Bäumen, der mich umfängt. Oder ein besonderer Satz, der Klang von Musik, der mein Herz höherschlagen lässt. Es gibt vieles, was das Leben zurückbringt. Moralische Appelle sind es eher nicht.

"Steh auf, iss und trink, du hast einen weiten Weg vor dir." Das ist kein moralischer Appell. Es ist ein Mutmachsatz. Du hast einen Kampf verloren? Deine Verhandlungen sind gescheitert? Du hast die Nase voll? Gewiss. Aber das ist nicht das Ende. Du hast noch einen Weg vor dir. 

Die Zeit in der Wüste ist eine Pause. Der Überdruss an den Krisen ist ein Durchgang. Danach wird sich dir ein weiter Horizont eröffnen. Mit neuen Möglichkeiten.

 

Gottes Boten erkennt man an ihrer nervigen Penetranz und Unbeirrbarkeit.  Sie bringen neues Leben in Leib und Seele. Und mit dem neuen Leben entsteht die Lust, aufzustehen und es weiter zu versuchen. Vielleicht mit mehr Mut zur Kreativität, Mut zur Schwarmintelligenz und mit langem Atem. Mit dem man Fehler und Rückschläge als Lernfelder für die Zukunft zu schätzen weiß.

Die große Vision der Bibel ist: Am Ende der Zeit wird alles gut. Jetzt ist noch nichts gut. Weil jetzt auch nicht das Ende ist.

 

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