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Die Sendung zum Nachlesen:
Tempolimit. Für die einen ist das ein lästiges Thema. Für die anderen längst überfällig. Weil der Nutzen eines Tempolimits eindeutig belegt ist. Es schont die Umwelt, verhindert Unfälle und bringt Ruhe in die Wohngebiete. Trotzdem geht das mit den Verboten vielen zu weit. Sie hätten es lieber freiwillig geregelt.
Ich möchte das Thema gerne mal von der anderen Seite her betrachten. Nicht vom Verzicht her. Sondern von dem, was man für sich dabei gewinnen könnte. Denn in der Langsamkeit gibt es eine Menge zu entdecken. Das habe ich in der Zeit der Pandemie gemerkt.
Zwei Jahre sind wir im wahrsten Sinn des Wortes "ausgebremst" worden. Wir mussten auf Flüge und Auslandsreisen verzichten. Kein Ausflug in eine andere Stadt. Sogar die morgendliche Fahrt ins Büro wurde ersetzt durch den gemächlichen Gang vom Schlafzimmer zur Küche zum Schreibtisch.
Anfangs hat mich das genervt. Alles, was mir Freude machte, wurde ausgebremst. Keine Besuche bei Freunden, keine Meetings mit interessanten Menschen, kein Livekonzert. Nichts.
Nach und nach allerdings habe ich gemerkt, dass mir das Ausbremsen auch gutgetan hat. Und dass ich eigentlich vorher zu schnell und zu viel unterwegs war. Die aufgezwungene Langsamkeit hat mir bewusst gemacht, dass ich oft wie in einem Tunnel unterwegs war. Dass ich um mich herum wenig mitbekommen habe. Das war auf einmal anders. Ich habe Dinge gesehen, die mir vorher nie aufgefallen sind, habe Vogelzwitschern und Kinderlachen gehört, habe den Wind auf der Haut gespürt und war einfach nur da. Nie hätte ich gedacht, wie erfüllend es sein kann, einfach nur da zu sein. Dasein und das Leben spüren. Statt durch das Leben durchzupreschen.
Jesus war übrigens auch keiner von der schnellen Truppe. Manches an seinem Verhalten wirkt auf den ersten Blick umständlich. Die Blinden und Lahmen, die ihn um Hilfe angefleht haben, die hat er erst mal gefragt, was sie von ihm wollen. Ja was wohl, habe ich gedacht. Ist doch klar, oder?!
Einmal war Jesus wie aus der Zeit gefallen. Als eine Gruppe aufgebrachter Männer eine Frau vor ihn zerrt. Eine, die nachweislich Ehebruch begangen hat. Fremdgehen war gegen Gesetz und Ordnung. Und sie wollten kurzen Prozess mit ihr machen. "Tod durch Steinigung, sagt das Gesetz. Und was sagst du?" so stehen sie vor ihm und wollen zackzack, dass er sie bestätigt.
Aber Jesus setzt sich in den Sand und kritzelt was vor sich hin - unleserlich. Er muss sich entscheiden. Für das Gesetz und gegen das Leben der Frau. Oder für die Frau und gegen das Gesetz. Während die Männer warten, passiert was mit ihnen. Ihr Zorn kühlt sich ab. Nachdenklichkeit stellt sich ein. "Wer von euch ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein." Sagt Jesus. Und die Männer lassen nach und nach ihren Stein fallen und gehen weg. Das Gesetz ist gewahrt und das Leben der Frau gerettet. In der Langsamkeit hat sich den Männern ein neuer Horizont eröffnet.
Natürlich gibt es Situationen, in denen schnell entschieden und gehandelt werden muss. Und es gibt Lebensabschnitte, da muss man einfach durch. Ohne viel nach rechts und links zu schauen.
Trotzdem möchte ich werben für die Entdeckung der Langsamkeit. In der es natürlich auch die Ausnahmen von der Regel gibt.
In seinem Roman "die Entdeckung der Langsamkeit" erzählt Sten Nadolny von dem Schatz, den man in der Langsamkeit finden kann. Er erzählt die Geschichte eines Mannes, der immer langsamer war als alle anderen. Weil er sich nicht auf eine Sache konzentrieren konnte, weil er unfähig war zum Tunnelblick. Nur mit Mühe und Disziplin schafft er es, irgendwie Karriere zu machen. Weil er in einer lebensbedrohlichen Situation der Einzige ist, der die Ruhe bewahrt und in der ihm eigenen Langsamkeit dann die richtige, die lebensrettende Entscheidung trifft.
Vielleicht ist es die Langsamkeit, die uns helfen könnte, in unserer hochkomplexen Welt, die richtigen, die lebensrettenden Entscheidungen zu treffen.
Es gilt das gesprochene Wort.