Ökozid

Morgenandacht
Ökozid
30.03.2021 - 06:35
24.03.2021
Florian Ihsen
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Berlin im Jahr 2034. Ein Gerichtsverfahren beginnt. Zwei Anwältinnen vertreten 31 Länder des globalen Südens. Die Länder stehen wegen der Klimakatastrophe kurz vor dem Untergang. Hochwasser und Dürre zerstören die Lebensgrundlagen der Menschen. Auch in Europa sind die Folgen des Klimawandels zu spüren. Der Prozess musste kurzfristig nach Berlin-Tegel verlegt werden, weil nach der dritten Sturmflut in Folge das Gerichtsgebäude in Den Haag geräumt werden musste. 

Auf der Anklagebank sitzt – Deutschland. Angela Merkel wird befragt – als 80-jährige. Und auch Gerhard Schröder soll vorgeladen werden. Er, der 90-Jährige, kann nicht kommen, weil er sich wegen seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung in Russland behandeln lässt. Das Gericht steht vor der Frage: Kann und muss die deutsche Politik für ihr Versagen beim Klima-schutz zur Verantwortung gezogen werden? 
„Ökozid“ heißt der Film. Die ARD hat ihn gezeigt, letztes Jahr am Buß- und Bettag, in einem Themenabend zur Klimakrise. Seitdem treibt der Film mich um.  
Das Wort Ökozid bedeutet Naturzerstörung, massive Umweltverschmutzung. Was mir an dem Film deutlich geworden ist: Es geht hier weniger um Politik, sondern wesentlich um meinen Lebensstil. Der Ökozid ist von mir mitverursacht. Im Netz finde ich einen Test zum ökologi-schen Fußabdruck. Er hält meinem Leben einen Spiegel vor. Früher hätte man gesagt: Ein Beichtspiegel. Wie oft isst du Fleisch, Fisch, tierische Produkte? Wirfst du Lebensmittel weg? Wie groß ist dein Wohnraum, wie stark heizt du? Wie viele Kilometer fährst du mit dem Auto oder mit dem Fahrrad? 

Ich gebe zu: Mein ökologischer Fußabdruck ist bei manchen Fragen größer als der eines Durch-schnittsdeutschen. Ja, ich weiß, wie ich nachhaltiger, umweltschonender leben könnte. Und doch lebe ich oft nicht danach. Dafür habe ich viele Erklärungen: Fleisch schmeckt mir besser. Es ist einfach zu haben. Und in der Kantine gibt es halt bei den Fleischgerichten mehr Aus-wahl. Warum drauf verzichten, wenn es mir gut tut? Und wenn endlich wieder Urlaubsreisen möglich sind, möchte ich gern wieder mal fliegen. Richtig weit weg. Man muss sich ja auch mal was Gutes gönnen. Dafür fahr ich ja kaum Auto und andere machen viel mehr unnötige Flugreisen. Und was ich als Einzelner da mache, ist doch nicht so schlimm. Was kann ich al-lein schon ändern?  

Wenn ich so nachdenke, fühlt sich das an, als ob ich auf der Anklagebank sitze – wie im Film Ökozid. Wer ist verantwortlich für den Ökozid? Ich kann nicht auf andere deuten, auf Politi-ker*innen und andere, die Verantwortung tragen. Wie ich lebe, was ich brauche und nicht brauche, das ist meine Verantwortung. Ich denke an die Gesichter der Menschen des Südens, deren Existenzen zerstört sind. Zerstört auch durch meinen Lebensstil, durch meine Ansprüche.
 
Viele evangelische Gemeinden kennen für die Karwoche die Tradition der Gemeindebeichte. Man besinnt sich im Gottesdienst auf seine konkrete persönliche Schuld. Dazu gehört auch der viel zu große ökologische Fußabdruck. Man spricht bei der Gemeindebeichte seine Schuld in der Stille vor Gott aus und spricht dann, zusammen mit der Gemeinde ein Beichtgebet. „Gott, ich erkenne, dass ich gesündigt habe “. Das Besondere der Gemeindebeichte ist die Absolution, die Lossprechung. Die Pfarrerin spricht: „Dir ist deine Sünde vergeben im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ 

„Dir ist vergeben“. Dieses Losgesprochen-Werden bewegt mich sehr. Ich werde nicht auf mei-ne Fehler, meine Überansprüche, mein Versagen, meine Faulheit festgelegt. Und damit kann ich ein anderer werden. Gott vergibt mir. Er macht einen Anfang mit mir. Dazu gehört, dass auch ich einen neuen Anfang machen möchte: anders leben als bisher. Anders leben, sicher auch mit einem viel kleineren ökologischen Fußabdruck.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

24.03.2021
Florian Ihsen