Zeitenwende

Morgenandacht

Gemeinfrei via Pixabay/ Nile

Zeitenwende
25.10.2021 - 06:35
15.09.2021
Cornelia Coenen-Marx
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Die Sendung zum Nachlesen: 

Ein 50. Geburtstag in der Familie. Schön, sich endlich wiederzusehen - Face to Face und ohne Maske! Wir stoßen an auf das Neue, das kommt – und überlegen, wann wir uns zuletzt gesehen haben. Es war bei der Beerdigung einer Tante – ist das zwei oder drei Jahre her? Klar ist nur: Es war vor Corona.

Vor oder nach Corona - das ist die neue Zeitachse, auf der wir uns verorten. Was vorher war, verschwimmt im Nebel. Die Welt hat sich mit der Pandemie verändert. Und ich  mich auch.

Und das nicht nur wegen des Virus. Im Rückblick auf 16 Jahre Angela Merkel ist mir noch einmal klar geworden, wie viele Krisen wir in dieser Zeit erlebt haben. Flüchtlingsbewegungen, Klimawandel, Dürren und Überflutungen, schließlich das Debakel in Afghanistan - all das stellt meinen Lebensstil grundlegend in Frage. Von einer großen Transformation ist die Rede, einer Zeitenwende.

 

Vor und nach Corona. Vor und nach dem Krieg. Vor und nach der Wende. Was eine Zeitenwende wirklich bedeutet, lässt sich oft erst rückblickend erkennen. Wir spüren den historischen Einschnitt und sind doch dem alten Denken noch lange verhaftet. Es dauert, bis der Nebel sich lichtet und die Konturen des Neuen erkennbar werden. Klar ist nur: Es ist etwas geschehen, das unser Leben grundlegend verändert.

 

V.d.Z. schrieb man im Nationalsozialismus. Vor der Zeitrechnung. Meine Mutter zeigte mir das, als ich klein war – das große Z, das sie schrieb, hatte eine Schleife nach unten. „Die Lehrer, die uns das beibrachten, wollten nichts von Jesus wissen“, sagte sie. Tatsächlich teilen wir in den meisten Ländern der Welt den Zeitstrahl noch immer in die Jahre vor Christus und die nach Christus. Dass Gott in Christus zur Welt kam, hat alles verändert, heißt das. Seitdem rechnen wir anders, wir verorten uns anders, wir denken anders… Wirklich? Die Nazis waren nicht die einzigen, die den Bezug zu Christus vermieden - seit der französischen Revolution sagt man in Frankreich avant notre ère. Und in der DDR hieß die Standardformulierung v.u.Z.- vor unserer Zeitrechnung. Vielleicht ist das nur ehrlich? Allerdings geht auch diese Zeitrechnung von der Geburt Christi aus – auch wenn die nicht im Jahr 0 war, sondern wahrscheinlich im Jahr 7 v. Chr.

 

Aber auf das Datum kommt es gar nicht an - entscheidend ist, ob die Welt mit Christus ein neues Gesicht bekommen hat. Ob sich seitdem wirklich alles verändert hat. „Blinde sehen, Lahme gehen, Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündigt“ – so hat Jesus selbst diese Veränderung angezeigt.

 

Ich muss zugeben, der Tod hat noch immer große Macht. Aber ich sehe einen barmherzigen Umgang mit Kranken und Sterbenden. Nach schrecklichen Jahren des Kolonialismus wurde die Sklaverei endlich abgeschafft. Frauen, Kinder, Minderheiten und auch die Armen bekamen eigene Rechte und das Glück ist kein Privileg der Reichen - oder? Sind nicht viele  Super-Reiche noch reicher geworden in den Pandemiejahren? Wie viele Menschen starben, weil wir unseren Impfstoff nicht teilen wollten? Und wie viele werden als Arbeitssklaven rechtlos über die Grenzen geschleust, auch in Europa?

 

Ja, die Welt liegt im Nebel – viel kommt darauf an, ob ich in den Veränderungsprozessen das Neue erkenne. Ob es einen Paradigmenwechsel in meinem Leben gibt. Und ob das Evangelium dabei eine Rolle spielt. Ich kann das testen, wenn ich auf die Tage schaue, an denen sich bei mir Entscheidendes verändert hat. Der Tag, als ich meinem Mann begegnet bin. Als mein Vater starb. Als ich in den Slums von Rio stand. Als Corona begann und die Schulen geschlossen wurden.

 

Der amerikanische Theologe Sam Keen empfiehlt, sich an solche Tage zu erinnern. Tage, die mich erschüttert oder beglückt haben. An denen mein Leben einen anderen Klang bekam.  Wie an einem runden Geburtstag oder an Weihnachten.

 

Meine Erfahrung ist: Wenn ich tatsächlich mit Christus lebe – und nicht nur nach Christi Geburt - dann wird sein Leben als Schlüssel zu meinem, dem  Glück und  den Zumutungen. Dann kann das Neue sichtbar werden - wenigstens ab und an. Es ist wunderbar, wenn der Nebel sich lichtet. Heilige Tage sind das, die gilt es zu feiern. Stoßen wir darauf an.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

15.09.2021
Cornelia Coenen-Marx