Das zehnte Gebot

Wort zum Tage
Das zehnte Gebot
11.03.2020 - 06:20
30.01.2020
Diederich Lüken
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„Wenn du das zehnte Gebot gebrochen hast, kommt es auf die anderen nicht mehr an.“ Der große amerikanische Schriftsteller und Humorist Mark Twain hat diesen Spruch geprägt. Das zehnte Gebot lautet in seiner Kurzfassung: „Du sollst nicht begehren!“ Mark Twain stand dem christlichen Glauben skeptisch bis ablehnend gegenüber; vor allem war er davon überzeugt, dass mit dem Tode alles aus sei. Umso mehr verwundert es, dass er hier eine Einsicht kundtut, die ihn in eine lange Reihe von Auslegungen der Zehn Gebote stellt. „Wenn du das zehnte Gebot gebrochen hast, kommt es auf die anderen nicht mehr an.“ Im rabbinischen Judentum zum Beispiel wird ähnlich argumentiert. Die Briefe des Apostel Paulus brandmarken Neid und Habgier als Abkehr von der christlichen Ethik. Deshalb: „Du sollst nicht begehren!“ Es geht dabei nicht um das Begehren an sich, sondern darum, dass Menschen in meiner Umgebung mich mit dem, was sie sind oder haben, mit Missgunst erfüllen. Was der hat, muss ich auch haben. Oder schlimmer noch: Ich ergreife Besitz von dem, was der andere hat. Dann habe ich mit dem Verbot des Begehrens auch das andere gebrochen, dass da lautet: Du sollst nicht stehlen. Wenn ich die Frau meines Nachbarn begehrlich anschaue, bin ich in der Gefahr des Ehebruchs; ja, Jesus sagt, dass dieses Begehren allein schon Ehebruch ist – damit wäre das sechste Gebot gebrochen. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir, lautet des erste Gebot. Wie viele Götter hat der, den das Begehren umtreibt? Geld, Macht und Ehrsucht sind nur eine kleine Auswahl der Abgötter, die zu dem Einen Gott der Bibel in Konkurrenz treten. So könnte man fortfahren und jedes einzelne Gebot mit dem zehnten in Beziehung setzen. Neid als Missgunst verleitet die Menschen zu Hass und Hetze – was der andere hat, will ich auch haben, und wenn ich es nicht haben kann, soll er es bitte schön auch nicht haben. Das Muster herrscht bis in die internationale Politik und die Weltwirtschaft hinein. Ich muss haben, wir müssen haben, nach uns die Sintflut beziehungsweise die Klimakatastrophe. Es ist egal, ob es gerecht auf der Welt zugeht, es ist egal, ob die Erde leidet, Hauptsache, ich kann haben, wonach meine Gier mich treibt. Wenn ich also die Zehn Gebote befolgen will, ist es gut, mit dem zehnten Gebot zu beginnen. Nun ist es aber äußerst schwierig, das Begehren einzustellen. Es regt sich spontan. Ich kann es so wenig beeinflussen wie Verliebtheit oder Freude. Das nötigt uns zur Demut. Wir können nicht anders als begehren. Wir können es aber im Zaum halten. Es muss unsere Handlungsweise nicht steuern. Wir können uns bei dem, was wir denken und tun, selbstkritisch fragen, ob nicht die Gier dahintersteckt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Diederich Lüken