Mein Achtel Lorbeerblatt

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ vojtech Havlis

Mein Achtel Lorbeerblatt
von Pfarrerin Kathrin Oxen
17.04.2023 - 06:20
01.02.2023
Pfarrerin Kathrin Oxen
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Es ist nicht viel Platz auf einem Achtel Lorbeerblatt. Das denke ich jedes Mal, wenn ich eines aus der Tüte klaube, um es an die Suppe oder Soße zu geben. Lorbeerblätter sind so eine Sache. Im getrockneten Zustand bröseln sie gerne auseinander bis unter Achtelgröße. Von Kränzen, die man aus ihnen windet, wird nach einiger Zeit nicht viel übrig bleiben. „Mein Achtel Lorbeerblatt“ heißt eines der frühen Alben von Reinhard Mey. Es ist im gleichen Jahr wie ich zur Welt gekommen. Und wenn ich es jetzt höre, finde ich die Lieder darauf keine Spur von muffig oder zerbröselt - was ich natürlich auch für mich selbst hoffe. Einen kleinen Kranz will ich ihm, dem Sänger deswegen winden, einen ganz kleinen, aus geachtelten Lorbeerblättern.

Solang mir ein paar Freunde bleiben / hängt meine Fahne nicht im Wind. / Und ich scher' mich den Teufel um Goliath, / Und schweig' fein still. / Habt Dank für das achtel Lorbeerblatt, / Auf dem ich tun kann, was ich will, heißt es in der letzten Strophe. Auf dem Cover der Schallplatte ein junger Mann mit Gitarre, ein Sänger mit einem Saiteninstrument. Und von Goliath ist auch die Rede.

Ich denke an David aus der Bibel, an den jungen Mann aus Bethlehem. Der jüngste von vielen Brüdern, der mit seiner kleinen Schleuder einem Riesen beikommt. Und auch später in seinem Leben viele Herausforderungen zu meistern haben wird. Einer liebt und hasst, hofft und verzweifelt, wird schuldig und rettet, lobt und klagt. Und fasst das alles, wirklich alles, in Lieder, ein ganzes Buch in der Bibel: Die Psalmen. Ohne diesen Sänger würde mir manchmal die Worte fehlen für meine Klage und mein Lob, für meine Bitten und meinen Dank. Und ohne die anderen Sänger aus allen Zeiten auch.

Manchmal werden Psalmen und Lieder, alte und neue mein Achtel Lorbeerblatt. Bei den Niederlagen, wenn es die anderen sind, die auf dem Treppchen stehen. Wenn ich anecke mit meiner Meinung oder mit dem, was ich tue oder lasse. Und besonders dann, wenn mir die Hoffnungen zerbröseln, wenn das Leben mich kleinkriegen will. Dann brauche ich wenigstens noch einen winzig kleinen Platz in der Welt, auf den ich mich setzen kann und mich einfach nicht so viel darum kümmern. Und dann denke ich an David, gegen den sich in seinem Leben nicht nur einmal ein Riese erhoben hat. Mein Achtel Lorbeerblatt ist eine wichtige Zutat in meinem Leben. Damit ich machen kann, was ich wirklich will.

Es gilt das gesprochene Wort.

01.02.2023
Pfarrerin Kathrin Oxen