Sommerimpressionen

Wort zum Tage
Sommerimpressionen
Gastfrei
31.08.2018 - 06:20
20.06.2018
Barbara Manterfeld-Wormit
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Religiöse Symbole kommen nicht überall gut an. Da wird um Kreuze in der Öffentlichkeit gestritten und über die Frage, ob Lehrerinnen Kopftuch tragen dürfen oder nicht und auch das öffentliche Tragen der Kippa ist nicht ungefährlich. In unserem Sommerurlaub in Österreich sind wir auf  Schritt und Tritt religiösen Zeichen begegnet. Oft vollkommen überraschend, wie bei einem Abstecher nach Zell am See – ein winziges Städtchen mit bezauberndem Flair, umrahmt von den Bergen. In den kleinen Gassen laden Lokale zu österreichischen Spezialitäten – und während wir uns das Schnitzel schmecken lassen, staunen wir nicht schlecht: eine Vielzahl der Touristen kommt ganz unverkennbar aus dem arabischen Raum: Großfamilien, die Männer im Polohemd, die Kinder in Pluderhosen und Flip-Flops, die Frauen verschleiert. Zell am See hat sich zum Reisetrend in der arabischen High Society entwickelt: Wer es sich leisten kann, reist in den malerischen Ort: Hier gibt es Wasser und Berge, schnucklige Häuser und dann auch noch Schnee auf dem Gletscher, den sehen viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Der Ort hat sich auf die fernen Gäste eingestellt: in Lebensmittelgeschäften findet sich oft der Hinweis halal – nach islamischem Recht zulässige Speisen. Es gibt viele Schilder mit arabischen Schriftzeichen. Man freut sich über die Kaufkraft der Touristen aus dem Ausland, über ihre religiösen Sitten und Gebräuche dagegen eher weniger. Und so ernten manche Frauen hinter ihrem Schleier abschätzige Blicke von den Nachbartischen. Und nicht jedes Gespräch hinter vorgehaltener Hand ist freundlich. Bei einem Besuch im nahen Salzburg begegnet mir Religion wieder aus allernächster Nähe – diesmal meine eigene. In der Nähe der Salzach am Rande einer befahrenen Straße komme ich an einem Kruzifix vorbei: „Gehst du bei diesem Kreuz vorbei, bedenk, was dessen Deutung sei! Zieh ab den Hut, du bist ein Christ, der durch den Herrn erlöset ist!“ steht darauf zu lesen. Nun, ich trage keinen Hut. Dennoch bleibe ich stehen und bin hin und her gerissen, wie ich das finden soll. Religion braucht Zeichen. Für den einen sind sie hilfreich und tröstlich. Für diejenigen, die dieser Religion nicht angehören, hin und  wieder aber auch befremdlich, aufdringlich, ja vielleicht sogar verstörend. Selbst auf mich wirkt er so, dieser überdimensionale Christus mit Blut überströmten Haupt, der mir da unvermittelt am Straßenrand begegnet. Ich lasse mich gern an meine Religion erinnern. Ja, ich bin gerne Christin. Aber beim Stichwort Erlösung halte ich es dann doch lieber mit einem Wort des verstorbenen Schriftstellers Hanns Dieter Hüsch, der von sich als Christ schrieb: Ich bin vergnügt, erlöst, befreit! Das ist der Klang, den das Wort Erlösung vor allem für mich hat. Wir sind vergnügt, erlöst, befreit – so lässt es sich auch gastfrei sein.

Es gilt das gesprochene Wort.

20.06.2018
Barbara Manterfeld-Wormit