Spirituelle Schmerztherapie

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ Jericho Cose

Spirituelle Schmerztherapie
mit Melitta Müller-Hansen, gesprochen von Julia Rittner-Kopp
22.03.2022 - 06:20
11.01.2022
Melitta Müller-Hansen
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Ich komme an einer Kirche vorbei. Es zieht mich hinein. In der Mitte eine Kerzeninsel. Und auf einer Steinbank wartet ein verbrannter Christus. Eine Holzfigur des Leidenden, des Christus in der Rast, wie ihn die mittelalterliche Ikonografie geschaffen hat. Versonnen, nach innen gekehrt der Blick, Knie angewinkelt. Und verbrannt, verkohlt an einer Seite. Daneben ein Text, der ermuntert, hier zu verweilen:

„Wir hatten den Impuls, unseren verbrannten Christus wieder herzurichten… Er ist nicht schön, weil unser Leben nicht nur schön ist. Wir wissen auch um das Verletzte, das Verbrannte... Es kann auch eine Kraft sein zu spüren, dass es nicht einfach wieder gut ist. Dass es in unserem Leben etwas auszuhalten gibt. Und dass uns die Solidarität Gottes im leidenden, im verbrannten Christus nahekommt, begegnet, tröstet.“

Ganz schön viel auf einmal wird hier versprochen. Ich setze mich neben den Verbrannten. Bin hier in dieser Gegend im Krankenhaus mit meinen entzündeten rissigen Händen, die sich seit Monaten nicht beruhigen. Schön sind sie schon lange nicht mehr. Und können nichts mehr tun, nichts anfassen. Ich will keine Schmerzen mehr. Bin am Tiefpunkt angelangt. Dass es in unserem Leben etwas auszuhalten gibt. Dass es nicht einfach wieder gut ist. Und dass da einer sitzt, der das kennt. Wie soll ich sagen: ich hab tief aufgeatmet. Schmerzen wegschieben, Krankheit verdrängen. Ich kann doch noch dies und das. Es gibt so viele Möglichkeiten, auszuweichen. Die hab ich jetzt alle durch. Auch den Zorn auf mich selbst und alles.

Ich hab mich selbst im Stich gelassen, merke ich. Hier an der Seite des verbrannten Christus hört das auf. Er hilft mir, bei meinem Schmerz zu sein. Wahrzunehmen, was ist. Und es anzunehmen. Ja es tut weh. Es gibt keine schnelle Antwort auf ein Warum. Und es gibt keine schnelle Lösung. Es gibt diese Rast hier am Weg. Die Möglichkeit, mir selbst und diesem Leidenden meine Wunden zu zeigen.

Die Salben allein werden nicht helfen. Es ist etwas im Schmerz, das etwas ganz anderes braucht.

 „The unsung song“, „das ungesungene Lied“ – so wird Schmerz manchmal genannt, sagt Gudrun Lehn, eine Musikerin und Therapeutin. Ich meine, auf die Melodie meines Schmerzes gestoßen zu sein. Und bin heute wieder geheilt. Den Anstoß hat der verbrannte Christus gegeben.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.01.2022
Melitta Müller-Hansen