Versöhnungsfeier

Wort zum Tage
Versöhnungsfeier
18.11.2020 - 06:20
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Diesen Moment im Jahr 2020 will ich nicht vergessen.

Es ist Januar. 120 Militärgeistliche, Repräsentanten und Repräsentantinnen von Militärseelsorgen aus 36 Ländern sind in Berlin zu Besuch. Drei Tage intensiver Diskussionen liegen schon hinter uns. Wie kann heute Frieden in der Welt bewahrt werden? Kontroversen über friedensethische Konzepte, über die Rolle von Religionsvertretern in der ethischen Bildung in den Streitkräften. Welche  Position sollen sie vertreten? Gibt es überhaupt eine gemeinsame?

Erschöpfende Diskussionen und Kontroversen. Trotzdem bei allen Beteiligten das Bemühen: Wir wollen zusammenarbeiten, über alle Unterschiede hinweg. Dem Frieden in der Welt dienen, auch wenn es keine einfachen Lösungen gibt.

Doch dann kommt der Moment.

Wir versammeln uns in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche: Muslime, Juden und Christen. Protestanten verschiedener Couleur, Katholiken, Vertreter der Ostkirchen.  Menschen aus Europa, Amerika, Asien und Afrika, Vertreter unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Alle sind gekommen, um in ihrer je eigenen Tradition für Frieden und Versöhnung zu beten.

Orgelmusik ertönt. Die Liturgen ziehen ein. Allen voran trägt der Vertreter der Seelsorge für die britischen Luftstreitkräfte das Nagelkreuz von Coventry. Was für ein symbolischer Akt: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche wurde durch einen britischen Luftangriff (fast vollends) zerstört. Nun trägt ein Seelsorger der britischen Luftstreitkräfte jenes Versöhnungszeichen, das aus den Überresten der von der Deutschen Luftwaffe zerstörten Kathedrale geformt wurde.

Wir hören den Psalm eines jüdischen Rabbis aus Frankreich, in Hebräisch. Von einem Vertreter, dessen Angehörige durch Deutsche im Holocaust ums Leben kamen, in einer Kirche, in der man einst den deutschen Triumph über seine Nation gefeiert hat.

Wir hören das Friedensgebet eines holländischen Imams in arabischer Sprache. Nicht weit von der Stelle entfernt, wo  ein islamistischer Verbrecher ein Attentat auf dem Weihnachtsmarkt verübt hatte.

Ein katholischer Bischof meditiert über die Zeichnung, die ein evangelischer Pfarrer für die Soldaten im Kessel von Stalingrad Weihnachten 1942 gezeichnet hatte: Die sog. Stalingrad-Madonna.

So geht Versöhnung, so muss der wahre Friede sein: Wo Menschen trotz aller Unterschiede und Kontroversen um Vergebung bitten, für Frieden beten und die Versöhnung feiern.

Daher will ich diesen Moment nicht vergessen. Und werde ihn sicher nicht vergessen.