Gib uns Frieden!

Gib uns Frieden!
mit Pfarrerin Anke Prumbaum
26.02.2022 - 23:35

Gib uns Frieden!

Am Donnerstagmorgen. Das ist der Tag, der mit dem Satz anfing: jetzt ist er da. Der Krieg.  Ich stehe in der Apotheke und schau die Apothekerin hinter dem Tresen an, ich sehe ihren albernen Haarreifen mit den pinken Troddeln und denke: ok, es ist Altweiber. Und krieg es kaum zusammen. Es ist doch der Tag, an dem der Krieg anfing. .

Und die alte Dame auf dem Markt neben mir sagt, sie hat Angst.

In dieser Woche kam jeden Tag so etwas dazu, wieder ein Stück mehr Eskalation, näher ran bis zu dem, von dem ich nicht mehr glaubte, es je in Europa erleben zu können. Du willst darüber am Samstag sprechen? fragte mein Sohn. Was willst du denn da sagen, man weiß doch gar nicht, was das da überhaupt ist, was stimmt und was nicht. Sie reden in der Schule drüber. Auch ratlos. 

Wir haben angefangen zu beten in unseren Kirchen, bei uns in Moers und überall in Deutschland, ja, das hilft. Es war nicht die Zeit für große Worte, das fand ich auch richtig so, aber es war Zeit für große Bitten und zaghaftes Singen. Am Freitag, während ich selber mal eben schnell einkaufen muss, denke ich daran, dass sich jetzt in Kiew lange Schlangen in den Läden und an den Tankstellen bilden, die Leute wollen weg. In der Kita neben meinem Garten höre ich die Kleinen kreischen und ich weiß, dass andere Kinder, gerade mal 2700 km entfernt, weinen vor Angst.

Was für eine schräge Gleichzeitigkeit. Alle kleben an der Berichterstattung, die sozialen Medien voller weißer Tauben und das Brandenburger Tor in blau-gelb.

In Moers in unserer Stadtkirche haben wir gesungen: Gottes Wort gibt Trost, gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten. Das war gut. Und gleichzeitig schäme ich mich, dass ich hier über Gefühle rede, wo doch andere Angst um ihr nacktes Überleben haben.

Ich hatte vorher auch einen anderen Song im Kopf, aus den 80ern, von Sting. Ein Song aus der Zeit des Kalten Krieges, und er beschreibt die wachsende Anspannung zwischen der westlichen Welt und Russland. Sting fragt in dem Song, wie er seinen Sohn schützen könnte, wenn es denn zum Äußersten käme. Ich hatte immer wieder die Zeile im Ohr: I hope the russians love their children too. Übersetzt: Ich hoffe, die Russen lieben ihre Kinder auch.

Was denn sonst?

So wie wir unsere Kinder lieben, und die Ukrainerinnen und Ukrainer und überhaupt alle Menschen auf der Welt.  Manche Ungeheuerlichkeit wird erst deutlich, wenn wir sie ins Verhältnis setzen zu den Kindern – und ihrem Hunger nach Leben, ihrem Bedürfnis nach Sicherheit und ihrem Recht auf Zukunft. Die Kinder, die jungen Menschen, die doch nicht die Soldaten von morgen sein sollen… so wie Marlene Dietrich sang: Sag mir, wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben – und dann die Mädchen, und die Männer, und dann: Sag mir, wo die Männer sind, zogen fort, der Krieg beginnt.

Hilflos bin ich, aber nicht sprachlos. Nicht tonlos. Menschen aller Zeit haben Worte und Lieder gefunden, um dem Schrecken des Krieges entgegen zu singen. In den Psalmen der Bibel, in Liedern, in der Friedensbewegung.

Ich will Dona nobis pacem singen und Imagine von John Lennon. Und am liebsten würde ich‘s überall hören, in unseren Supermärkten und Kaufhäusern, als Pausengedudel in CallCenter Warteschleifen, im Bus und an der Tankstelle. Wir sind nicht sprachlos und auch nicht tonlos.

Ist es zu schlicht?

Ich glaube, trotzdem muss es getan werden: Wir können ein Werkzeug des Friedens sein, und sei es „nur“, indem wir wieder und wieder vom Frieden singen.  Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.