Das Wort zum Sonntag: "Mein Trauerkoffer"

Das Wort zum Sonntag: "Mein Trauerkoffer"
Verena M. Kitz
15.11.2014 - 23:20

Eine Bekannte von mir ist Religionslehrerin. Vor ein paar Tagen hat sie mir von einem Trauerkoffer erzählt, den sie an ihrer Schule jetzt angeschafft haben. Einen Trauerkoffer, habe ich sie gefragt?

 

Ja, hat sie gesagt, das ist ein Koffer, der kann beim Trauern helfen. Wenn etwa ein Schüler oder jemand von den Lehrkräften plötzlich gestorben ist. Da steht oft die ganze Schule wie unter Schock, viele wissen nicht, was sie machen sollen. Dann gibt der Koffer so eine  Art erster Hilfe. Da ist gar nicht so etwas Besonders drin, meinte sie dann, ein paar Kerzen und Taschentücher. Auch ein Bilderrahmen, ein Gebetbuch, Zettel und Stifte, eine ruhige Musik. Aber die Sachen, die können die Leute in die Hand nehmen. Und sie fangen an, ihre Trauer damit auszudrücken und  ihre Sehnsucht nach Hoffnung, kommen dann auch auf eigene Ideen.

 

Die Idee mit dem Trauerkoffer, die ist mir nachgegangen. Gerade jetzt im November mit den ganzen Totengedenktagen. Im Alltag denke ich nicht so viel nach  über Trauer und Tod. Aber wenn dann jemand stirbt, aus der Familie oder ein Freund,  haut das brutal dazwischen. Natürlich kann man sich auf so einen Abschied nicht wirklich vorbereiten, gerade, wenn jemand plötzlich oder durch einen Unfall ums Leben kommt. Aber durch die Idee mit dem Trauerkoffer habe ich angefangen zu überlegen:  Was hat mir oder anderen schon geholfen bei solchen Abschieden?

 

Als mein Vater starb, hat meine Mutter ein halbes Jahr lang schwarze Kleidung  getragen. Das tun heute nur noch wenige. Aber für sie war es eine Möglichkeit, ihre Trauer auszudrücken, ohne viele Worte. Und andere konnten sehen: Da ist jemand in Trauer, geht sorgsam um mit ihr!

 

Mir hat geholfen, dass ich mit einer Freundin reden konnte. Sie begleitet viele beim Trauern. Und ich war am Anfang sehr verwirrt, weil ich erst mal gar nichts gefühlt habe. Ich habe einfach wie so ein Automat weiter funktioniert, alles organisiert, was zu machen war. Sie hat mich beruhigt:  Beim Trauern gibt es nicht richtig oder falsch, jeder trauert anders und die Gefühle ändern sich immer wieder.  Das hat mir geholfen, auf meine Weise zu trauern.

 

Und ganz einfache Rituale: Eine Kerze anzünden, den alten Choral von Bach zu hören: „Jesus bleibet meine Freude“. Dadurch kam ich auch wieder an das, worauf ich in aller Trauer hoffen will: Dass mein Vater, und alle Verstorbenen nicht im Tod bleiben. Dass wir uns alle wiedersehen bei Gott, so wie Jesus es in seiner Auferstehung versprochen hat.

 

Der Tod kommt immer überraschend, ist anders, selbst wenn jemand lange krank ist. Ich weiß  nicht, wann und wie. Das macht Angst. Viele haben schon Angst, nur darüber nachzudenken. Manche denken auch, es bringt Unglück. Das glaube ich nicht. Ich glaube vielmehr, es kann entlasten zu überlegen, auch mit anderen darüber zu reden:  Wer gibt mir Halt, wenn ich so einen Verlust erlebe? Und was wünsche ich mir, wenn man so will, in meinem persönlichen Trauerkoffer?

 

Die Gedenktage für die Verstorbenen jetzt im November, die will auch ich zum Anlass nehmen, mit diesen Fragen weiter übers Trauern und Abschiednehmen nachzudenken.

 

Das Jubiläumsvideo