Das Wort zum Sonntag: "Wenn das Leben zum Grenzfall wird"

Das Wort zum Sonntag: "Wenn das Leben zum Grenzfall wird"
Pfarrer Gereon Alter
01.02.2014 - 23:05

Guten Abend und herzlich willkommen beim „Das Wort zum Sonntag“!

 

Einer in diesen Tagen veröffentlichten Studie zufolge sind 70 Prozent aller Deutschen der Meinung, dass die sogenannte „Tötung auf Verlangen“ nicht unter Strafe gestellt werden sollte. Dass also ein Mensch, der sterbenskrank ist, auf Wunsch von einem anderen getötet werden kann – etwa durch die Verabreichung einer Pille. In der Konsequenz würden dann auch Unternehmen und Vereine nicht belangt werden können, wenn sie mit Medikamenten, die zur gezielten Tötung eingesetzt werden, handeln, für sie werben und mit ihnen Geld verdienen. Drastisch gesagt: Es geht auch um ein Geschäft mit dem Tod.

 

70 Prozent aller Deutschen sagen "Ja" zur straffreien Tötung auf Verlangen. Eigentlich scheint die Sache damit doch klar zu sein: Die große Mehrheit will es so. – Was mich nur stutzig macht: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt in derselben Studie auch an, „weniger gut“ oder „überhaupt nicht gut“ über die bereits geltenden Gesetze und Regelungen informiert zu sein. Was genau darf ein Arzt eigentlich tun und was nicht? Welche Rechte hat ein sterbender Mensch schon jetzt? Und wo genau liegt eigentlich die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe? Über all das scheint eine große Unsicherheit zu herrschen.

 

Ich vermute, die wenigsten der Befragten haben jemals selbst vor der Herausforderung gestanden, einen sterbenden Menschen zu begleiten. Gott sei Dank! – Aber genau da scheint mir das Problem zu liegen. Sich öffentlich für das „Recht auf’s Sterben“ und die dafür nötigen Mittel auszusprechen, ist das eine. Da aber, wo ein Mensch tatsächlich weder ein noch aus weiß und sein Leben am seidenen Faden hängt – da die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Richtige zu tun, ist etwas völlig anderes.

 

Ich bin kein Experte in diesen Dingen. Aber als Seelsorger habe ich schon mit einer ganzen Reihe von todkranken und sterbenden Menschen zu tun gehabt – auch mit Menschen, die ihrem Leben bewusst ein Ende setzen wollten. Das waren Begegnungen, die mir lange nachgegangen sind. Denn die meisten dieser Menschen waren fürchterlich einsam. Sie hatten einfach niemanden, der ihnen zur Seite gestanden hat. Niemanden, der ihnen das Gefühl gegeben hat: Du bist nicht allein in deiner Not.

 

Es gibt sicher Situationen, in denen einem Menschen nicht anders geholfen werden kann als mit Medikamenten, die so stark sind, dass sie zum Tod führen können. Das erlauben die geltenden Gesetze übrigens längst. Aber in den meisten Fällen scheint mir etwas ganz anderes nötig zu sein: Ein Mensch, der da ist und sich kümmert.

 

In meiner Gemeinde gibt es solche Menschen. Sie engagieren sich in einem Hospiz. Sie kümmern sich um Sterbende. Sie hören ihnen zu, sie sprechen mit ihnen, sie erfüllen ihnen Wünsche. Ich finde, dass diese Ehrenamtlichen eine unermesslich wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft erfüllen, die durch keine Pille der Welt zu ersetzen ist. Sie helfen Menschen würdig zu sterben.

 

In Kürze wird der Bundestag darüber entscheiden, ob der Handel mit Medikamenten, die zur gezielten Tötung eingesetzt werden, künftig straffrei ist oder nicht. Ich habe dazu eine klare Meinung. Ich glaube, wir brauchen solche Medikamente nicht. Wir brauchen vielmehr Menschen, die Sterbenden zur Seite stehen. Angehörige, Ärzte, Schwestern und Pfleger, Ehrenamtliche in der Hospizarbeit. Und deshalb wünsche ich mir, dass im Bundestag nicht minder heftig darum gerungen wird, was denn getan werden kann, um diesen wertvollen Dienst am Menschen zu stärken und zu fördern.

 

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und einen gesegneten Sonntag.