Das Wort zum Sonntag: "Zeit für Atempausen"

Das Wort zum Sonntag: "Zeit für Atempausen"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
18.01.2014 - 23:35

Wo ist der Tag nur wieder geblieben? Die ganze Woche? Ich hab das Gefühl, mir bleibt eigentlich überhaupt keine Zeit mehr. Und das ist nicht nur ein Gefühl. Das habe ich neulich bei einer Fortbildung sozusagen schwarz auf weiß vor mir gesehen. Es ging genau um dieses Thema. Jeder von uns bekam ein Blatt mit einem Kreis darauf. Den sollten wir aufteilen, wie Tortenstücke, und dann zuteilen: Wie viel Zeit brauche ich eigentlich für was? Wie viel Zeit brauche ich für meine Arbeit, für meine Familie, für Freunde und Hobbies, aber natürlich auch für Haushalt und Schlaf? Und wie viel Zeit bleibt unverplant, ohne etwas? Uff, da wurde ich doch ein wenig kleinlaut, als ich sah: Da bleibt ja nur so ein winziges Stückchen auf meinem Blatt übrig, Zeit ohne etwas!

 

Das ging nicht nur mir so, das ging auch den anderen so: Da sind die Kinder, manche müssen Angehörige pflegen. Manche haben sogar zwei Jobs. Kein Wunder, dass da viele vom Aussteigen träumen, wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ein paar Wochen: Weg auf die Insel oder auch in den Wohnwagen am See. Nur hinterher geht es natürlich genauso weiter wie vorher.

 

In dieser Fortbildung haben sie uns eine andere Idee angeboten, um an etwas mehr Zeit für uns selbst zu kommen: Nicht aussteigen, sondern richtig einsteigen! Aber nicht in dem Sinne, dass ich noch mehr mache, noch mehr Aktivitäten entwickle. Sondern richtig einsteigen in das, was schon da ist: Kleine Unterbrechungen mitten im Alltag.

 

Die von der Fortbildung haben das festgemacht an einem Satz aus der Bibel, aus dem Neuen Testament, da heißt es: "Gott lässt Zeiten des Aufatmens kommen!" (Apostelgeschichte 3,20) Zeiten des Aufatmens – das klingt gut. Aber ich habe mich gefragt: Wo sollen die denn sein in diesem Alltag? In dem Kurs haben sie uns eine Liste gegeben. Da standen alle möglichen Pausen drauf: die Kaffeepause, die Atempause, die Mittagspause, die Denkpause.

 

Mit dieser Liste bin ich meinen Tag durchgegangen und hab entdeckt: Ja, die gibt es tatsächlich, Zeiten zum Atemholen. Ganz wortwörtlich: Wenn ich vom Einkaufen nachhause komme, meine Taschen abstelle – und ein Moment ausatme und aufatme. Oder wenn morgens der Wecker klingelt: Ich muss nicht sofort aus dem Bett springen. Ein paar Minuten hab ich noch, mich auf den Tag einzustellen. Auf dem Weg zur Arbeit: Wenn ich auf die S-Bahn warte oder mit dem Auto vor der roten Ampel stehe. Natürlich kann ich mich ärgern. Aber ich kann es auch als Pause nehmen. Und auch abends, bevor ich ins Bett gehe, gibt es solche Momente: Ein paar Minuten auf der Couch, ohne Fernsehen, Zeitung. Zeit zum Aufatmen.

 

Gott lässt diese Zeiten kommen, es stimmt tatsächlich. Sie sind schon da, mitten in meinem Alltag. Ich hab sie nur bisher nicht beachtet. Sie sind wie ein kleines Geschenk, das da unbemerkt liegt. Und es liegt an mir, es auszupacken und die Zeit zu nutzen: um gar nichts zu tun, um tatsächlich Atem zu holen, um mal zu spüren: Wie geht es mir jetzt gerade? Was will ich vielleicht anders? Dadurch hab ich nicht mehr Zeit als vorher. Aber ich nutze sie anders.

 

Wie wäre es, wenn Sie das heute Abend, wenn der Fernseher aus ist, einfach einmal ausprobieren? Ein paar Minuten lang einfach nichts tun und da sein.

 

Zeiten zum Aufatmen: Es gibt sie tatsächlich, an jedem Tag – und es liegt an mir, sie zu nehmen und dafür zu nutzen.

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