Das Wort zum Sonntag: "Zuwanderer – mehr als bloße Arbeitskräfte"

Das Wort zum Sonntag: "Zuwanderer – mehr als bloße Arbeitskräfte"
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
11.01.2014 - 22:05

Das ist schon eine sehr spannende Mischung: Als Pfarrer lebe und arbeite ich in einem Stadtteil Hannovers, der sehr international geprägt ist und finde es immer wieder spannend! Da gab es Zuwanderung in der Zeit des 19. Jahrhunderts, Gastarbeiter und ihre Familien aus Spanien und Portugal, Griechenland und Italien seit den 1960er Jahren; und viele türkische Familien und auch afrikanische Menschen kamen in den letzten Jahrzehnten.

Das ist schon eine spannende Mischung! All das hat unseren Stadtteil geprägt und ich finde, es hat ihn sehr lebens- und liebenswert gemacht. Dabei bin ich, glaube ich, nicht mal naiv. Ich sehe durchaus die Probleme, die durch Ghettobildung oder mangelnde Sprachkenntnisse entstehen können. Und doch gibt es für mich immer wieder Situationen, in denen ich mich an etwas erinnert fühle, was mir in den Evangelien an der Praxis Jesu auffällt: Obwohl er selbst seine Heimatregion wohl nie verlassen hat, werden in der Bibel immer wieder Begegnungen mit Menschen geschildert, in denen er sich Fremden und Ausgegrenzten mit großer Offenheit zuwendet: Da ist eine Samariterin, mit der er ins Gespräch kommt, oder auch auf kranke Menschen geht er offen zu. Er lässt sich offenbar nicht durch Hysterie und Panikmache mancher Zeitgenossen anstecken, sondern erhält sich einen nüchternen und liebevollen Blick auf das Notwendige.

Wir haben zurzeit eine aufgeregte Diskussion um mögliche Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland und in andere westliche EU-Staaten: Das ist ganz anders als die Kombination aus Offenheit und Gelassenheit bei Jesus.

Wer sich daran orientiert, wird wohl manch allzu simpler Stimmungsmache widerstehen. Denn bei der werden immer ein paar Schwache gebraucht, deren pure Anwesenheit Angst machen soll.

Mich jedenfalls begeistern eher die Menschen in unserem Stadtteil, die sich vor ein paar Wochen in der Nachbarschaft einer Flüchtlingsunterkunft zusammen getan haben. Zusammen haben sie überlegt, wie sie Menschen willkommen heißen und ihnen den Einstieg in die fremde Kultur und Gesellschaft mit kleinen Hilfestellungen erleichtern können. Da gibt es Übersetzungshilfe und Begleitung bei Behördengängen oder ein Willkommens-Paket, mit dem man dann die Stadt erkunden kann.

Klar, so eine kleine Nachbarschaftsinitiative schafft es nicht auf die Titelseiten oder ins Fernsehen. Sie ist eben nicht besonders spektakulär. Aber sie ist sicher näher dran an der unaufgeregten Praxis Jesu dran, als so mancher Schreihals mit seiner Panikmache.

Was bei Jesus übrigens gar nicht vorkommt, das ist die Überlegung, welchen Nutzen er durch die Begegnung mit fremden Menschen haben könnte. Im Gegenteil, er handelt sich dabei ja vor allem Ärger ein.

Die Einteilung der Zuwanderer in brauchbare und nicht brauchbare Menschen, ist verräterisch. Dringend benötigte Pflegekräfte, Facharbeiter oder Ingenieure werden schon seit einiger Zeit ganz selbstverständlich integriert. Wer aber gleich nach einem möglichen Nutzen der Menschen für Arbeitsmarkt und Wirtschaft fragt, wird den Menschen nicht gerecht. Wer das betreibt, gerät in Schieflagen, in denen Menschenrechte ihren absoluten Schutz verlieren. Wer stattdessen auf die Praxis Jesu schaut, der wird in seiner offenen Zuwendung und in seiner großen Gelassenheit den besseren Ratgeber finden – und vielleicht sogar Freude daran, in einer spannenden Mischung von Menschen zu leben.

Diese Gelassenheit wünsche ich Ihnen und einen guten Sonntag!