Glück macht stark

Glück macht stark
Pfarrerin Ilka Sobottke
31.08.2019 - 23:50
06.02.2019
Ilka Sobottke

Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist, aber ich habe meinen Urlaub dieses Jahr sehr genossen. Raus aus der Stadt, weg vom Schreibtisch, und dann erstmal Zeit. Am Strand sitzen, unter einem Baum, auf einem Steg. Der Sonne zusehen, wie sie aufgeht und wie sie untergeht, die Farben des Himmels, eine Sternschnuppe. Paradiesisch!

So viel Paradies in dieser Welt! Für mich sind das Gottesgeschenke! Blödsinn machen, Gottesgeschenk! Malefiz spielen und Muskelkater vom Lachen, Gottesgeschenk. Diskussionen bis tief in die Nacht. Gottesgeschenk! Mich machen solche Situationen glücklich und dankbar.

Zurück aus dem Urlaub das Gegenprogramm: Eine ist schwer krank, einer liegt im Sterben. Wo ist da jetzt Gott? Eine Mutter sagt zu mir: „Ich weiß nicht mehr, wie ich meinen Kindern die Welt erklären soll. Ich komme nicht mehr klar. Diese egoistischen Sandkastenstreitigkeiten auf Kosten der ganzen Welt. Eine Höllenfahrt ohne Bremse.“ Und die nächste: „Diese Idioten weltweit! Der Amazonas brennt, immer noch Krieg in Syrien und immer mehr Hetzer und Rassisten. Ich mach mir einfach Sorgen! In was für einer Welt werden meine Enkel leben?“

Gegenprogramm. Und morgen? Morgen sind es auf den Tag 80 Jahre seit der 2. Weltkrieg begann. Auch damals eine Höllenfahrt ohne Bremse. Am Ende 55 Millionen Tote und verwüstete Landschaften. So viel Hölle bereiten wir einander!

Wie geht das zusammen? Das Glück, der Urlaub und diese von Menschen inszenierten Höllen?

Mich macht das Glück stark. Vielleicht weil ich es als Gottesgeschenk verstehe. Medizin gegen die Hoffnungslosigkeit, gegen die Verzweiflung. Vielleicht kann ich nichts tun, gegen die Brände am Amazonas. Vielleicht aber doch.

Ich weiß genau, ich treffe jeden Tag Entscheidungen, die Einfluss haben darauf, wie die Welt sich weiterdreht. Und gerade weil Gott mich so beschenkt, trage ich eine Verantwortung. Ich will und ich darf nicht die Höllenfahrt befeuern. Ich will mit denen streiten, die anderer Meinung sind, im Kontakt bleiben, trotzdem zuhören und versuchen zu verstehen. Einander wahrnehmen und stärken. Ich will die Welt, die uns geschenkt ist, genießen, ohne sie auszubeuten.

Ich weiß wie Glück sich anfühlt, da geht es nicht um Millionen Euro, nicht um maßlosen Wohlstand. Dieses Glücksgefühl will ich teilen. Glück macht stark aufzustehen und weiterzugehen: In Zeiten der Mutlosigkeit, vielleicht nur mit sturer Beharrlichkeit, die nur eins nicht erlaubt: verzweifeln! Aber manchmal gelingt es aus dem Glück heraus, dann laufen wir mit der schlenkernden Fröhlichkeit des aufrechten Gangs.

06.02.2019
Ilka Sobottke