Der Kult um Che Guevera war in den 60er und 70er Jahren besonders groß. Nach wie vor hat er eine sakrale Note. Vor 58 Jahren wurde der Guerilla-Kämpfer und Held der kubanischen Revolution erschossen.
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"Mein erster Eindruck war, dass er aussah wie ein Heiliger. Nicht Christus, eher Johannes der Täufer. Er hatte etwas Biblisches, strahlte etwas aus, selbst so voller Blut." (dlf kultur) Das hat ein britischer Fotograf am 9. Oktober 1967 gesagt (Brian Moser). Da steht er vor dem Leichnam von Che Guevara. Der Guerilla-Kämpfer und Held der kubanischen Revolution wurde heute vor 58 Jahren in Bolivien erschossen.
Die Fotos von dem aufgebahrten Toten haben etwas Ikonisches. Sie ähneln den Gemälden von der Beweinung Christi, einem im Spätmittelalter gängigen Bildtypus. Geschundener, zerbrochener Körper, Wundmale, still trauernde Menschen. Vielleicht wollten viele Che Guevara genauso sehen. Einen säkularen Christus, der zur Knarre greift, um für die Nächstenliebe einzutreten. Jemanden, der sich selbst in die Waagschale wirft.
Che Guevaras Lebensgeschichte trägt Züge einer Heilgenlegende. Und er selbst hat diesen Vergleich bedient. Obwohl es heißt, er sei nicht sonderlich religiös gewesen. Wie Franz von Assisi lässt "El Che" seine bürgerliche Existenz hinter sich, wendet sich den Kranken und Unterdrückten zu, will ganz für sie da sein.
Geboren 1928 in Argentinien als Ernesto Guevara de la Serna wächst er in einer wohlhabenden Familie auf, studiert Medizin, wird Arzt. Ernesto reist mit dem Motorrad durch Südamerika, ist erschüttert von der Armut der Bauern. Genauso von der Skrupellosigkeit der Großgrundbesitzer, wie sie die Not der Menschen ausnutzen. Als Ernesto Fidel Castro kennenlernt, schließt er sich der kubanischen Revolution an, wird zu El "Che", dann Commandante, später Mitglied der neuen kubanischen Regierung.
Doch die politische Realität entwickelt sich anders als erhofft. 1965 legt Che alle Ämter nieder, taucht ab, geht inkognito nach Bolivien, veröffentlicht ein Manifest. Darin ruft Che dazu auf, für die "heilige Sache der Erlösung der Menschheit" zu kämpfen. Aber die bolivianischen Bauern in den Anden wollen sich von ihm nicht befreien lassen. Er wird verraten, verhaftet, exekutiert.
Wenige Tage vor seinem Tod soll er ein religiöses Gedicht rezitiert haben: "Christus, ich liebe dich … / Du hast uns gelehrt, dass der Mensch ... / ein armer, gekreuzigter Gott ist wie du. / Und dass der zu deiner Linken in Golgatha /der schlechte Dieb / auch ein Gott ist."
Bevor Che Guevaras Leichnam für die Aufbahrung vorbereitet werden kann, trifft ein Schweizer Pater ein. Er segnet den leblosen Körper, spricht ein Gebet. Abends hält er eine Messe für Che und für alle anderen, die an diesem Tag ihr Leben verloren haben. Die Fotos vom toten Che werden wie Ikonen weitergereicht, betrachtet oder gerahmt. Das kubanische Volk verabschiedet sich von ihm mit einem Treueschwur: "Hasta siempre, Commandante | Bis in alle Ewigkeit, Kommandant." Und DER SPIEGEL titelt damals "Erlöser aus dem Dschungel" (Nr. 31 / 28.07.1968).
Aber Che Guevara war kein Heiliger. Er konnte grausam sein, kaltherzig, hat selbst etliche Hinrichtungen angeordnet. Die quasireligiöse Verehrung deckt das alles zu, vertuscht die Schattenseiten.
Mag sein, dass Nächstenliebe in einigen Fällen auch mit Waffengewalt erstritten werden muss. Wie beispielsweise 1945 gegen das Nazi-Regime. Aber daraus lässt sich keine Regel machen.
Che Guevara sieht man auf manchen Fotos mit Bart, langen Haaren und Sehnsuchts-Augen. Das erinnert an Darstellungen von Jesus Christus. Aber Jesus trug keinen Kampfanzug, keine Waffe. Was Jesus lehrte und lebte, eignet sich nicht für die grundsätzliche Legitimation von Gewalt. Jesu Satz "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig" bleibt ein Stoppschild für eine Haltung, die nur auf Stärke setzt.
Der Kult um Che Guevera war Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre besonders groß. Nach wie vor hat er eine sakrale Note. So sind Menschen wohl. Die Sehnsucht nach dem Heiligen ist groß. Sie zeigt: "Glaube Hoffnung Liebe", ohne diese drei ist die Welt kaum zu verändern. Froh über jeden, in dem sich zumindest ein Teil dieser Trias manifestiert.
Es gilt das gesprochene Wort.
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