Non-binär. Intersexuell. Wörter, die es früher nicht gab. Aber das Wissen ist viel älter, dass es mehr gibt als Mann oder Frau. Die Bibel macht Mut zu der Freiheit, sich nicht einordnen zu müssen.
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"Meine sehr verehrten Damen und Herren; alle dazwischen und außerhalb." So begrüßt Jan Böhmermann jeden Freitagabend sein Publikum beim ZDF Magazin Royale. Satire. Klar. Und doch mehr. Ich sehe darin ein Augenzwinkern, das eine seelsorgliche Dimension hat. Denn mit seiner Ironie schafft der Comedian gedanklichen Freiraum in der Medienwelt, die so gerne auf Eindeutigkeit zielt.
Heute ist Welttag der Vielschichtigkeit, sprich der Intersexualität. Als intergeschlechtlich oder Inter*menschen bezeichnen sich Personen, die sich nicht eindeutig dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zuordnen können. Es gibt nämlich nicht nur das Entweder-Oder, sondern auch die Mehrdeutigkeit, die Schattierungen.
Aus der christlichen Ecke kommt dann manchmal der Einwand: "In der Bibel heißt es: Gott schuf den Menschen als Mann und Frau." Richtig, da steht kein "oder", sondern ein "und". Als "Mann und Frau". Ein Mensch kann also beide Anteile in sich vereinen. Wörtlich aus dem hebräischen Original übertragen, müsste man sogar sagen: "als männlich und weiblich". Das schafft mehr Spielraum. Männlich und weiblich wie zwei Pole mit vielen verschiedenen Möglichkeiten dazwischen.
Das Wissen darüber kommt auch in anderen Kulturen vor. In Indien gibt es alte Mythen und Legenden darüber, ähnlich bei den nordamerikanischen Ersteinwohnern.
Sie erzählen von Vorfahren, die "Mann plus Frau" gewesen sind – wie beispielsweise die Person "Rennender Adler". Als Kind kämpft "Rennender Adler" mit dieser Vielschichtigkeit, dem Sowohl-als-auch. Später akzeptiert sich "Rennender Adler" und wird ein geachtetes Mitglied seiner Gemeinschaft.
Im Lager hat "Rennender Adler" Frauenkleider getragen, auf Jagd und Kriegspfad Männersachen. Und er ist spirituell tätig, leitet das Ritual des Sonnentanzes, was eigentlich Frauen vorbehalten war. (1)
Diese gedankliche Offenheit fehlt über viele Jahrhunderte in der Alten Welt. In Europa und in den Vereinigten Staaten sind Kinder mit intergeschlechtlichen Merkmalen oft operiert worden, um Eindeutigkeit herzustellen: entweder Junge oder Mädchen. Medizinisch ist das oft gar nicht notwendig gewesen. Inzwischen gibt es das nicht mehr. Der Blick der Ärzte, die Gesellschaft und das Verständnis haben sich erweitert. Zum Glück für die heutigen Generationen.
Die Jahre von der Pubertät bis ins Erwachsensein sind für manche Jugendliche ein forderndes, anstrengendes Dazwischen oder Sowohl-als-auch. Körperlich, seelisch und sexuell. Wer Kinder hat, kann das beobachten. Einige entziehen sich der Eindeutigkeit. Androgyn, metrosexuell sind Begriffe, die das zu fassen suchen. Zwischentöne.
Mädchen im Boyfriend-Look, Jungs mit lackierten Fingernägeln. Tattoos und Piercings sind wie Fragezeichen, Kompassnadeln auf dem Weg zu sich selbst. Es ist eine der größten Aufgaben im Leben, sich selbst zu finden. Schmerzlich, fordernd. Wohin gehöre ich? Wen will ich lieben? Trägt mein Glaube dieses Schweben, das Dazwischen meines Werdens?
Immer mehr der Mensch zu werden, der ich bin. Das ist ein lebenslanger Weg. In der Bibel ermutigt Paulus: "Zur Freiheit hat Christus uns befreit." (Galater 5,1) Er meint damit ausdrücklich auch die Freiheit von den Zuschreibungen, mit denen Menschen eingeteilt werden.
Paulus schreibt wörtlich an seine Gemeinde: "Hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt eins in Christus." (Galater 3,28) Das öffnet Freiräume. Uns, "meine sehr verehrten Damen und Herren, alle dazwischen und außerhalb".
Es gilt das gesprochene Wort.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literaturangaben:
- C.LaGata/C.Balzer, Kulturelle Alternativen zur Zweigeschlechterordnung – Vielfalt statt Universalismus, www.bpb.de: https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/geschlechtliche-vielfalt-trans/245271/kulturelle-alternativen-zur-zweigeschlechterordnung-vielfalt-statt-universalismus/.
- Roscoe, Will (2000): Changing Ones. Third and Fourth Genders in Native North America, New York.
- Fels, Eva und Pillai-Vetscherea (2001): "Hijras. Das 'dritte Geschlecht' Indiens". In: FrauenSolidarität, Nr. 78 (4/2001), S. 18- 21.
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