Friedensvertrag mit der Natur
Die UN-Artenschutzkonferenz in Kolumbien
25.10.2024 06:35

Artenschutz beginnt vor der Haustür, und Kleines kann Großes bewirken. 

 
Sendung zum Nachlesen:

"Peace with Nature – Frieden mit der Natur". So lautet das Motto der UN-Artenschutzkonferenz, die bis zum 1. November in Kolumbien stattfindet. Mehr als 10.000 Delegierte aus 200 Staaten nehmen teil. Das Ziel von der Aussöhnung mit der Natur ist nicht neu. Es findet sich schon in der Bibel, gehört zu den Zukunftsversprechen des Propheten Jesaja: "Da wird der Wolf beim Lamm wohnen […] und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind." (Jesaja 11,6-8)

Für Jesaja geht diese Vision so weit, dass das Töten in der Natur generell endet. Dabei wäre schon viel gewonnen, wenn die Menschen ihre Ausbeutung der Meere, Wälder und Tiere begrenzen würden. Höchste Zeit, denn in den vergangenen 50 Jahren ist allein die Zahl der Wirbeltiere um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. (1)

Zum Auftakt der Konferenz flimmern zwei Buckelwale über eine riesige Leinwand im Tagungssaal. Die Sympathieträger aus dem Meer stehen stellvertretend für alle Tiere und Ökosysteme, mit denen dieser Friedensvertrag geschlossen werden soll. Die Absicht: 30 Prozent der Meeres- und Landflächen sollen unter besonderen Schutz gestellt werden. (3)

Große Zahlen, große Ziele. Aber es geht auch eine Spur kleiner. Das erscheint mir wichtig. Denn große Themen sind in ihren Dimensionen oft erschlagend und überfordern. Es hilft, sie konkret zu denken.

Wilhelm Hey ist so jemand, der Artenvielfalt konkret macht und nahe heranrückt. Schon vor gut 200 Jahren. Er macht das poetisch in einem der schönsten deutschsprachigen Gute-Nacht-Lieder: "Weißt du, wie viel Mücklein spielen / in der heißen Sonnenglut, / … / Gott der Herr rief sie mit Namen, / dass sie all ins Leben kamen." (Evangelisches Gesangbuch 511,2)

Der theologische Dichter beschreibt die oft bloß als blutsaugende Plagegeister bezeichneten Stechinsekten als "Gottes Geschöpfe". Und damit als gewollt, als elementaren Bestandteil der Schöpfung, von der es in der Bibel heißt: "Und Gott sah, dass es gut war." (1. Mose 1,20-31)

Tatsächlich kommt es beim Artenschutz neben Walen, Berggorillas, Eisvögeln ganz wesentlich auf die Insekten an. Der weltweite Wirtschaftsfaktor der Natur ist enorm, sagen Experten. Allein die Bienen machen mit ihrem Bestäubungswerk in Deutschland fast drei Milliarden Euro pro Jahr aus. (2) Und so lästig Mücken auch sein mögen, sie spielen in den Ökosystemen eine wichtige Rolle. Am Fluss, in den Wäldern für Schwalben, Forellen, Grasfrösche.

Für den Erhalt der Artenvielfalt kommt es darauf, wie wir Menschen das Land nutzen, sagen Fachleute. (4) Klingt wieder groß, aber auch das beginnt im Kleinen. Auf dem Balkon, in den Alleen der Städte, hinter und vor dem Haus. Die Fläche der Privatgärten ist nämlich in etwa so groß wie alle Naturschutzgebiete in Deutschland zusammen – gut vier Prozent der Landesfläche, mehr als eine Million Hektar. Rechnet man dann noch die Schrebergärten hinzu, Projekte wie Urban Gardening, öffentliche Gärten, dann wird die Fläche noch größer.

In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben evangelische und katholische Kirchen die Initiative "BiodiversitätsCheck" (BiCK) ins Leben gerufen. Sie unterstützen Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen dabei, Pfarrgärten und Friedhöfe zu Räumen von Artenvielfalt zu machen. Es bringt viel, wenn Brachen, Rabatten, Inselbeete oder Randstreifen mit Wildblumen bepflanzt werden.

Bitte nicht missverstehen. Die Kirchen sind nicht die besseren Umwelt- und Artenschützerinnen. Aber interessant ist doch, dass mit kleinen Schritten Großes entstehen kann. In den privaten Gärten, auf den Balkonen und in den Grünstreifen am Straßenrand schlummert Flächenpotenzial.

Die Möglichkeiten ergreifen, die man hat und die vor der Haustür liegen. Kreativ werden, damit arbeiten, statt sie brach liegen zu lassen. Damit könnte vielleicht ein Kapitel im Friedensvertrag mit der Natur gefüllt werden, geradezu basisdemokratisch – als Graswurzelbewegung für das Leben. Ob die Tiere, die Meere und Wälder solch ein Friedensangebot annehmen? Ich hoffe es.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturangaben:

(1) Katja Gelinsky, 70 Prozent der Wirbeltiere weltweit sind vernichtet: FAZ vom 13.10.2022, abgerufen am: 25.10.2024 https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/living-planet-report-70-prozent-der-wirbeltiere-laut-wwf-vernichtet-18381906.html

 

(2) Bianca von der Au, Ökosysteme sind ein Wirtschaftsfaktor: tageschau.de, abgerufen am 25.10.2024

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/unternehmen-biodiversitaet-100.html

 

(3) KNA, Weltnaturkonferenz COP 16 in Kolumbien hat begonnen, abgerufen am: 25.10.2024

https://weltkirche.katholisch.de/artikel/56964-weltnaturkonferenz-cop-16-in-kolumbien-hat-begonnen

 

(4) Interview mit Thomas Hicker: Warum von biologischer Vielfalt alle profitieren: tageschau.de, abgerufen am 25.10.2024

https://www.tagesschau.de/wissen/klima/biodiversitaet-artenvielfalt-konferenz-kolumbien-100.html

Initiative BiodiversitätsCheck in Kirchengemeinden "BICK"

https://www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/umweltschutz/2_Biologische-Vielfalt/BiCK

 

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