Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Anthony DELANOIX
Bands meiner Jugend. Wenn die Liebe in die Stadt kommt.
Morgenandacht von Pastor Oliver Vorwald
25.10.2023 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

„When Love Comes To Town“ steht auf dem Konzertticket von U2. 1989 ist das gewesen, als die Liebe in die Stadt kommt. Ich reise ihr im D-Zug entgegen. Rotes Kunstleder, große Erwartungen. Die Auftritte von U2 damals sind mehr nur Konzerte: Rockmessen, musikalische Gottesdienste. Ich stehe ganz vorne, erste Reihe. Scheinwerfer tauchen die Bühne in orange-farbenes Licht, dann breitet sich der flirrende, schwebende U2-Sound aus. Die vier Iren eröffnen ihre Konzerte häufig mit „Where the Streets Have No Name | Wo die Straßen keinen Namen tragen.“ Sänger Bono sagt: „Wenn wir dieses Lied spielen, ist es, als würde Gott durch den Raum gehen.“

„Ich will davonlaufen. Ich will die Mauern einreißen, die mich einengen. Ich will die Flamme berühren, wo die Straßen keinen Namen haben.“ Der Text stammt von Bono. Ihn beschäftigen religiöse Fragen. Er schreibt Rocksongs über Jesus und Martin Luther King, ahmt in Liedtexten die Sprache der Psalmen nach. Geboren 1960 in Dublin als Paul Hewson, Vater katholisch, Mutter evangelisch. Weil er sich für das „Gute“ einsetzt, rufen ihn Freunde irgendwann ‚Bono‘. 1985 reisen Bono und seine Frau nach Äthiopien. Eine gewaltige Hungersnot peinigt das Land. Fast eine Million Menschen kommen ums Leben. Bono unterstützt eine internationale Hilfsorganisation. Engagement, Nächstenliebe sind Werte, die dem gläubigen Protestanten immer wichtig bleiben. Er und seine Frau verteilen Essen an einer Lebensmittelstation. Damals, in einem Zelt in Ajibar, entstehen die ersten Zeilen über dieses andere Land, wo die Straßen keine Namen tragen. Keine Tränen, kein Hunger. Wo es keine Unterschiede mehr gibt. Allen alles gemeinsam ist.  Klingt ein wenig nach dem Paradies. Und davon hat der irische Rockstar wohl auch etwas hineingetextet. Er sagt über sich selbst: „Ich brenne für die Sache Jesu (Rachel 8:22).“ Das berührt mich. Da nimmt sie Gestalt an, diese Liebe, von der das Konzertticket spricht. When Love Comes to Town. Der Druck der Eintrittskarte in Blau und Gelb gehalten, wie Tag und Nacht. Oben ein Sichelmond und eine Gitarre, darüber der Bandname U2. Ich habe es aufbewahrt. So wie andere gehäkelte Kreuze in Gesangbücher legen, Vergissmeinnicht pressen, Gedichte über Jahrzehnte in Kartons verwahren. Als Beweis für einen besonderen Moment.

Nach dem U2-Konzert damals laufe ich zum Bahnhof. Erschöpft, aber erfüllt steige ich in den Zug nach Hannover. Das rote Kunstleder, die Abteile voll besetzt mit anderen Fans. „Wenn wir dieses Lied spielen, ist es, als würde Gott durch den Raum gehen (Surrender 249).“ Das lässt sich belächeln oder abtun als PR-Worte eines Rockstars. Ich tue das nicht. Für mich ist dieser Abend vor 30 Jahren genau das gewesen: die Begegnung mit der Liebe. Da hat sie sich materialisiert, auf der Bühne, als ein paar junge Männer aus Irland von ihrer Suche nach Gott erzählen. Ich habe erlebt, dass wir dieser Liebe am nächsten kommen, wenn wir sie feiern. In Worten, Taten und Liedern. Bis heute lege ich immer wieder das Album mit „Where the Streets Have No Name“ auf. Lied Nummer Eins, dieser schwebende, flirrende Sound. Und manchmal kommt es mir so vor, als würde dabei die Tür zu dieser anderen Welt einen Spalt breit aufgehen. „Wo die Straßen keinen Namen tragen“: Ein Lobgesang auf die Liebe Gottes.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

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