Sendung zum Nachlesen
Die kleine Tochter hat erst vor kurzem das Schneiden gelernt, den Umgang mit ihrer kleinen Kinderschere. Begeistert verwandelt sie Papiere und schneidet sehr eigenwillige Sterne aus. Es ist ja Advent. Und so schaut es auch in unserer Wohnung aus: Kerzen und Tannenzweige und in den Fenstern Transparentsterne. Auf einer Kommode steht eine Postkarte: Zwischen kuscheligen Schafen springt ein kleiner Hirtenjunge vor Freude in die Luft. Mit seinem Hirtenstab wirkt das fast wie beim Stabhochsprung. Weihnachtsfreude. Und dann eines Abends: Ein sauberer Schnitt geht mittendurch. Die Tochter mit ihrer Kinderschere war fleißig. Da steh ich, halte die beiden Teile der Postkarte in der Hand. Kaputt. Was soll ich tun? Gleich ins Altpapier? Für einen kurzen Moment bin ich wütend und richtig traurig. Zuerst. Und dann… Ich rede mit meinem Kind, wir holen Tesafilm und kleben die Postkarte und stellen sie wieder auf die Kommode. Und freuen uns.
Das ist 30 Jahre her. Aber die Karte steht jedes Jahr im Weihnachtszimmer. Ich finde sie schöner als alle anderen. Weil sie davon erzählt, wie Advents- und Weihnachtsfreude mal kaputtgehen kann.
Morgen ist der 4. Advent und in 5 Tagen Heiligabend.
So viel ist anders als sonst. Keine Weihnachtsmärkte, kein offenes Adventssingen, keine vollen Kirchen an Heiligabend… Von all dem bin ich abgeschnitten. Und trotzdem freue ich mich auf Weihnachten, wie viele andere.
Durch die sozialen Medien geht seit Wochen ein Text, der sich mit Humor an alle wendet, die eine Weihnachtskrippe aufstellen wollen. Unter Corona-Bedingungen. Also, was geht, was geht nicht? Jesus, Maria und Josef sind schon mal kein Problem, das ist 1 Haushalt. Aber dann wird es schon komplizierter: Die Hirten, mindestens 2, wenn nicht mehr, plus die 3 Weisen. Gehen wir davon aus, dass die Hirten nicht miteinander verwandt sind und die 3 Weisen auch nicht in einer WG zusammenleben, kommt man auf insgesamt 8 Leute aus 6 Haushalten...
Ja, das ist ein bisschen albern und auch sarkastisch, aber schmunzeln musste ich trotzdem darüber. So ein Schmunzeln hilft manchmal. Es lächelt nichts weg, das Virus nicht und nicht die Fragen, wie es weitergeht. Ja, die Advents- und Weihnachtszeit ist diesmal zerschnitten. Wie vieles in diesem Jahr, es ist ein verwundetes Jahr… Aber mein Blick fällt auf diese alte geklebte Postkarte, auf die zerschnittene Weihnachts-Freude. Und ich sehe: Es wird wieder gut.
Es gilt das gesprochene Wort.