Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Markus Spiske
Lebensschule Garten
mit Landespfarrerin Petra Schulze
28.03.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Wo das Geheimnis der Welt zu finden ist? Das hat mir meine Großmutter gezeigt.

Sie zieht die blassgrüne Schürze an, die mit den rosa und gelben Blumen drauf. Grüne Gummistiefel, hellgrünes Haarnetz, Spaten und Eimer in der einen Hand, ich an der anderen. Meine kleinen Gummistiefel sind rot, und ich ziehe die kleine Harke hinter mir her.

Meine Omi und ich gehen in den Garten.

Omi steckt den Spaten in die Erde vom Gemüsebeet. Ein Tritt und hoch den Spaten. Und schon kommt der wunderbare Mutterboden zum Vorschein, mittendrin ein großer langer Regenwurm. Er windet sich und taucht blitzschnell in der Erde wieder unter. Wir haben Samentütchen dabei. Schnittlauch, Dill und Petersilie. Ich mag Kräuter. Und denke an Kräuterquark mit Pell-Kartoffeln, mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

Omi gräbt das Gemüsebeet um, zieht spitze Furchen in den Boden oder hebt kleine Löcher aus. Da kommen die Samen rein und Knollen und Setzlinge. Wir säen und pflanzen und hegen und pflegen und ernten das ganze Jahr. Und begegnen dabei Vögeln und Käfern, Raupen und Schmetterlingen, Kröten und Fröschen, Bienen und Hummeln und Mücken. Nichts ist zu klein, um nicht eine eigene Aufgabe zu haben. Aus Kleinem wächst Großes. Ganz von selbst und noch besser mit unserer Hege und Pflege. Nektar für die Bienen, Mücken für die Vögel. Pellkartoffeln mit Kräutern, Salat und Möhren für uns. Dass selbst Brennnesseln schmecken können, das habe ich erst viel später erfahren. Alle werden satt.

Ich bin fasziniert von dem, was lebt und webt in dieser bunten Welt. Das Geheimnis der Welt, es liegt immer noch ein Stück tiefer, in den allerkleinsten Lebewesen und Samenkörnern. Manche kann ich mit dem Auge gar nicht wahrnehmen.

Geht hin und bringt Frucht, trägt Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern auf (Johannes 5,16). Und Omis Garten ist dafür wie eine Lebensschule.

Ich will Wurzeln schlagen. Da, wo ich lebe. In meiner Stadt. An meiner Arbeitsstelle. In meiner Familie. In meiner Wohnung oder meinem Haus. In meinem Glauben. In meiner Kirche.

Ich will wachsen und gedeihen! Das kann ich da, wo ich vertrauen kann. Da wo ich Menschen mag und sie mich. Da wo man respektvoll und höflich miteinander umgeht. Da wo ich gesunde Luft atmen kann. Da wo ich mich frei äußern kann ohne Angst. Wo man singt und tanzt. Wo viel Natur um mich ist. Dann packt mich die Lebenslust! Und sie holt mich heraus aus der Selbstisolation während der Pandemie. Weg vom Sitzen allein am Schreibtisch. Ich brauche das Zusammenarbeiten und -leben mit anderen, um aufzublühen.

Aus der Raupe wird ein Schmetterling. Aus dem Samenkorn bunte Blüten oder eine ganze Ähre. Aus zarten Wurzeln wird ein Stamm, an den sich andere anlehnen können. Aus ganz Kleinem etwas Großes. Manchmal wird etwas aus kurzen Begegnungen: Da kommt manchmal sehr viele Jahre später eine Nachricht: „Du, das hat mir damals sehr geholfen! Danke!“

Omis Garten, eine Lebensschule. Manches wächst von allein. Anderes braucht Hege und Pflege. Ob Omi weiß, dass sie auch nach ihrem Tod noch so viel Lebensfrüchte bringt? Ich streue in meinem Leben viele Samen aus – und Gott lässt sie vielleicht irgendwo aufgehen. Von vielen werde ich niemals wissen. Aber ich kann sicher sein: Es gibt kein Leben, das nicht anderes Leben zum Blühen bringt. Kein Leben ist zu klein, kein Leben ist vergeblich.

Es gilt das gesprochene Wort.